Kolumne Immer bereit: Stillen ist das Beste für Ihr Baby

Natürlich geht es auch mit dem Fläschchen. Nur soll man sich so fütternd gleich wie eine Rabenmutter fühlen.

Baby mit Fläschchen

Mal ganz beispielhaft, wie das auch mit dem Fläschchen gehen kann Foto: dpa

Stillen ist das Beste für Ihr Baby. Ich stehe in der Drogerie vor dem Regal mit der Babynahrung, und aus jedem Fach, von jeder Säuglingsnahrungsmilchpulver-Packung, brüllt mich dieser Satz an: „Stillen ist das Beste für Ihr Baby. Deshalb sollte so lange wie möglich gestillt werden.“ Sowohl auf der Zwanzig-Euro-Nahrung steht das als auch auf der für 2,50. Stillen ist das Beste für Ihr Baby.

In Sätze gegossene Ohrfeigen für Frauen wie mich. Batsch, Batsch. Ich kann, darf und will nicht stillen. Selbst die Hebamme war erleichtert, als ich den Kopf geschüttelt habe. Ich wiege etwas mehr als einen Zentner, in der Woche nach der Geburt habe ich noch drei Kilo abgenommen. Wenn ich stillen würde, wäre ich jetzt schon nicht mehr da.

Stillen ist das Beste für Ihr Baby. Batsch, Batsch.

„Freuen Sie sich doch!“, rief die Frau, die damals in der Maria Heimsuchung neben meiner weinenden Mutter lag, die dasselbe Problem hatte. Die andere Frau hatte gerade ihr drittes Kind entbunden. „Freuen Sie sich!“, rief sie. „Was glauben Sie, was das für eine Erleichterung ist!“

Wenn ich stillen würde, könnte ich nicht weiterarbeiten, weil ich mich auf nichts anderes als das Baby konzentrieren könnte, Paul könnte nicht die volle Elternzeit nehmen. Er und ich würden uns überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen, uns total voneinander entfremden. Er würde sein Baby nicht aufwachsen sehen, weil er ständig arbeiten müsste …

Wie das eben bei jungen Familien heutzutage so ist, die versuchen müssen, alle sozialen, ökonomischen und zwischenmenschlichen Erwartungen zu erfüllen, die an sie gestellt werden.

Stillen ist das Beste für Ihr Baby, sagt die Gesellschaft. Du Rabenmutter, du selbstsüchtiges, karrieregeiles Luder. Willst deinen Körper für dich haben? Was fällt dir ein!

Du Rabenmutter, sagt die Gesellschaft, du selbstsüchtiges, karrieregeiles Luder. Willst deinen Körper für dich haben? Was fällt dir ein!

Am Anfang – man darf das eigentlich keinem erzählen, sonst nehmen sie uns sofort das Kind weg – haben wir ja auch noch die billige Nahrung gefüttert. Eine halbe Stunde standen wir in der Drogerie vor dem Regal mit der Babynahrung und verglichen die Inhaltsstoffe.

„Ich meine, wir haben doch Westen“, meinte ich zu Paul. „Und wir sind in Deutschland. Das muss doch alles irgendwelchen DIN-Normen entsprechen. Und ich meine“ – ich sah ihn an, das Baby zeichnete sich als Fröschlein im Tragetuch vor seinem Bauch ab – „wir haben doch auch beide die Flasche bekommen. Und aus uns ist auch was geworden.“

„Na ja“, sagte Paul und wiegte zweifelnd den Kopf hin und her. „N’Systemadmin und ’ne Schriftstellerin. Aus dem Kind soll doch mal was Richtiges werden. Fußballer, Papst, SPD-Vorsitzende. Die ganze Welt steht dem Kind offen.“

Und dann waren wir das erste Mal bei der Kinderärztin und die meinte, es sei eigentlich alles super – abgesehen davon, dass wir das Kind falsch halten, falsch baden und zu dünn anziehen – aber was wir denn füttern würden.

„Na ja. Diese Eigenmarke“, murmelte ich.

Die Kinderärztin guckte streng.

„Stillen ist schon das Beste für Ihr Baby“, sagte ihr Gesichtsausdruck. Und ihr Mund fügte hinzu: „Also, wenn das mein Kind wäre, würde ich schon was Teures füttern.“

Batsch, Batsch! Dusch!

Du selbstsüchtige, geizige Ziege!

Seitdem gibt es für Paul und mich nur noch trocken Brot zum Mittag.

Wir wollen doch schließlich alle nur das Beste für unser Baby.

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