Architekturfestival Make City: Stadt anders machen lernen

Zum zweiten Mal findet in Berlin Make City statt. Das Motto des 18-tägigen Veranstaltungsmarathons lautet „Stadt neu gemischt“. Kuratorin Ferguson will zivilen Kapitalismus.

Die Stadt der Zukunft als Wimmelbild Foto: Hybrid Space Lab (Elizabeth Sikiaridi und Frans Vogelaar)

Es muss schon ein ganz besonderes Ereignis sein, wenn Ada Colau, ehemalige Stadtaktivistin und seit 2015 Bürgermeisterin Barcelonas, und Sadiq Aman Khan, das erste muslimische Stadtoberhaupt Londons, nach Berlin reisen, ohne vom Regierenden Bürgermeister eingeladen worden zu sein. Dennoch werden beide am Donnerstag in der Stadt sein – und mit Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) und weiteren Gästen das zweite Make City Festival eröffnen. Das Thema des 18-tägigen Events lautet schlicht und ergreifend „Stadt neu gemischt“.

Das Motto räumt gleich mit zwei lieb gewonnenen Gewohnheiten von Architektinnen und Stadtplanern auf. Das alte Leitbild der „durchmischten Stadt“ ist in Berlin längst weggentrifiziert. Man wohnt wieder unter sich, die Wohlhabenden brauchen dazu nicht einmal Gated Communities, weil sie längst ganze Viertel erobert haben. Der Rest kämpft um seine Nischen und hofft auf (politische) Wunder.

Das Festival startet am Donnerstag und geht bis zum 1. Juli. Zu den 250 Veranstaltungen werden 20.000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Das Programm befindet sich auf der Seite www.makecity.berlin

Das Geld kommt mit 320.000 Euro größtenteils von der Lotto-­Stiftung. Insgesamt hat das Festival einen Etat von 560.000 Euro. Kuratorin Francesca Ferguson möchte nach dem Festival Gespräche mit dem Senat über eine dauerhafte Finanzierung aufnehmen.

Die Architektenkammer veranstaltet während des Festivals am 23. und 24. Juni den Tag der Architektur. Am 19. Juni findet um 15 Uhr im Metropolenhaus die Auftaktveranstaltung statt. Thema: „Was gibt die Architektur der Stadt zurück?“ Moderation: Christine Edmaier und Uwe Rada. (wera)

Eine neue Mischung aber ist möglich, sind die Macherinnen und Macher von Make City überzeugt und verbreiten eine Aufbruchstimmung, die angesichts der Mietenexplosion erstaunlich ist. „Berlin wird derzeit überall neu gemischt, überall wechseln die Szenen, die Akteure“, sagt Francesca Ferguson, die als künstlerische Leiterin bereits das erste Make City Festival vor drei Jahren auf die Beine gestellt hat. Berlin ist für Ferguson die Stadt des „Zivilkapitalismus“.

Alternative Projektentwickler, gemeinwohlorientierte Bauherren, neue Kooperationen mit der öffentlichen Hand, Partizipation, gutes Geld: Das sind die Zutaten, aus denen dieser zivile Kapitalismus für Ferguson gemacht ist – und denen das Architekturfestival dient. Als „Plattform für Entwickler, Planer, Bauherren, Verwaltung, Politik, Genossenschaften, Kultureinrichtungen“, wie es Ferguson nennt.

Nanni Grau teilt diesen Optimismus. „Das erste Festival hat Spuren hinterlassen“, sagt die Architektin des Büros Hütten & Paläste. „All das, was wir und andere machen, ist plötzlich sichtbar geworden“. Viele Netzwerke seien damals entstanden, auf die man seitdem zurückgreifen könne. „Über viele Jahre haben wir ein Gegeneinander erlebt. Jetzt gibt es ein Miteinander.“

Natürlich hat das auch mit dem Bauboom zu tun, der nicht nur den etablierten Vertretern der Zunft dicke Auftragsbücher beschert, sondern auch jungen Architektinnen und Architekten. Die wollen nun auch von den Erfahrungen der Älteren profitieren. Eine „riesige Universität“ nennt Nanni Grau deshalb Make City. Selbst das Büro von Grau ist nun aufgefordert, experimentelle Lösungen für den Bau von sogenannten schwierigen Grundstücken zu suchen.

Oft geht es dabei um die Erdgeschosse, sagt Grau. Sie nennt sie die „Schnittstellen des Gebäudes zur Stadt“. Lange Zeit haben Investoren keine Gewerberäume gebaut, weil die Käufer von Eigentumswohnungen nicht gestört werden wollen. Aber auch Wohnungsbaugesellschaften tun sich schwer mit Gewerbe und Läden. Viele Architekten jedoch weigern sich inzwischen, Erdgeschosswohnungen zu bauen. Sie wollen wieder mehr Mischung von Wohnen, Arbeiten und Einkaufen. „Solche Haltungen entwickeln sich gerade“, ist Grau überzeugt.

Nanni Grau, Architektin

„Über viele Jahre haben wir ein Gegeneinander erlebt. Jetzt gibt es ein Miteinander“

Im Programm von Make City nehmen die Erdgeschosse, aber auch Gewerbeflächen breiten Raum ein. Ein Beispiel ist das Metropolenhaus am ehemaligen Blumengroßmarkt, das über seine Erdgeschosszone das gesamte Quartier in der Südlichen Friedrichstadt aktivieren möchte. Dem Thema Gewerbe nähert sich das Haus vor allem temporär. Die Flächen werden nur zeitlich begrenzt vergeben.

Unterstützung bekommt Make City dabei auch von der Architektenkammer Berlin. Präsidentin Christine Edmaier betont, dass in Berlin keine reinen Wohngebiete mehr gebaut werden dürften. „Wir brauchen urbane Gebiete neuen Typs“, fordert Edmaier. Selbstverständlich müssten sich in den Erdgeschossen Gewerbeflächen befinden. Das Festival an sich findet sie die ideale Ergänzung zum Tag der Architektur, den die Kammer ausrichtet. „Berlin hat ein Film- und Theaterfestival.“ Mit Make City sei nun ein Festival für Architektur und Stadtentwicklung dazugekommen.

Für Francesca Ferguson geht es bei Make City aber nicht nur ums Bauen, sondern ums Große und Ganze. Vor allem die Kreislaufwirtschaft ist ihr wichtig. Wie können Baumaterialien recycelt werden? Wie lässt sich die Lebensmittelproduktion nachhaltig organisieren? „Die Ernährungswirtschaft ist ein wichtiges stadtentwicklungspolitisches Thema“, ist Ferguson überzeugt und verweist auf den „Urban Food Policy Pact“, den mehr als 160 Metropolen in Mailand unterschrieben haben.

In Berlin soll dieses Thema vor allem im Großmarkt an der Beusselstraße einen Ort haben. Die Markthalle Neun will dort wieder den „Bauch der Stadt“ entstehen lassen, betont Markthallen-Betreiber Florian Niedermeier: „Wir wollen die Lebensmittelproduktion und die Menschen, die tagtäglich für unser Essen arbeiten, wieder zurück in die Stadt holen.“ Beim Senat hat Niedermeier bereits das Konzept Großmarkt 9.0 eingereicht.

Nicht mehr und nicht weniger als die Diskussion über einen neuen Stadtvertrag hat Kuratorin Francesca Ferguson vor Augen. Zwischen den neuen Akteuren des Bauens, der Partizipation, der Entscheider. Gleichzeitig warnt sie vor zu hohen Erwartungen. „Wir geben hier keine Antworten, sondern die Möglichkeit sich auszutauschen.“ Zum Beispiel auch über neue Finanzierungsmodelle, bei denen private und öffentliche Akteure zusammenarbeiten. Dass das Eckwerk der Holzmarktgenossenschaft vor dem Aus steht, so Ferguson, sei da natürlich ein Rückschlag.

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