Christian Wolff über Gegendemos: Ein Pfarrer gegen Legida

Christian Wolff hat in Leipzig den bürgerlichen Protest gegen Legida organisiert. Jetzt zieht er eine Bilanz aus den vergangenen zwei Jahren.

Demonstration, Mann spricht

Legida wollte das christliche Abendland retten. Christian Wolff rettete mit anderen Leipzig vor Legida Foto: dpa

taz: War das nicht ein Erfolg für Ihre Arbeit, als Legida ankündigte, nicht mehr zu demonstrieren?

Christian Wolff: Zwei Gefühle gingen mir durch den Kopf. Einerseits habe ich eine gewisse Erleichterung verspürt. Ich hatte die Auftritte von Legida als Angriffe auf das friedliche Zusammenleben erfahren und erlitten. Zum anderen war ich auch wie ernüchtert. Das Problem des Rechtspopulismus ist ja nicht vom Tisch – weder in Leipzig noch in Deutschland überhaupt.

Was haben die Demonstrationen von Legida und die Proteste gegen sie in Leipzig bewirkt?

Ich sage es mal positiv: Es ist uns von Anfang an gelungen, ein sehr breites Bündnis aus der Stadtgesellschaft heraus aufzubauen. Gemeinsam wurden Ziele für das Zusammenleben formuliert. Diese behalten Gültigkeit, unabhängig von dem, was passiert und wie unterschiedlich wir sind. Somit waren unsere Veranstaltungen eigentlich keine Gegendemos, sondern Demonstrationen für unsere Ziele: ein menschenwürdiges Asylrecht und ein friedliches, multireligiöses und multikulturelles Zusammenleben. Dass Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Hochschulen und verschiedene Initiativen zusammenarbeiten konnten, ist ein gutes Signal.

Jeder Legida-Umzug wurde von verschiedenen Gegendemonstrationen begleitet. Gab es Zusammenarbeit zwischen den Initiativen und Organisatoren?

Absprachen gab es. Man hat unterschiedliche Demonstrationsformen nebeneinander stehen lassen. Das war eine Voraussetzung dafür, dass wir erfolgreich agieren konnten. Wir haben uns vor den Aktionen getroffen, um uns nicht untereinander unnötig Konkurrenz zu machen. Zum Beispiel begann der Demonstrationsmontag immer mit dem Friedensgebet. Da haben natürlich nicht alle mitgemacht, aber niemand wäre auf die Idee gekommen, zeitgleich eine andere Veranstaltung zu organisieren.

Wie haben Sie sich in den letzten zwei Jahren motivieren können?

Wie gesagt, wir haben sehr früh unsere Ziele und unsere Werte festgelegt. Letztlich hat uns das durch die zwei Jahre getragen. Wichtig ist, Ziele zu benennen, die nicht sofort zur Disposition stehen, weil irgendwo etwas Schlimmes geschieht und es ist ja Fürchterliches passiert, Terroranschläge etwa.

Sie geben an, so formulierten Sie es, den bürgerlichen Protest zu vertreten?

67, war von von 1992 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2014 Pfarrer an der Thomaskirche zu Leipzig. 2014 war er Initiator von „Willkommen in Leipzig – eine weltoffene Stadt der Vielfalt“, die gegen LEGIDA demonstrierte.

Ich selbst würde mich als Linken bezeichnen. Aber wir haben zum Beispiel darauf geachtet, dass keiner Angst haben muss. Jeder soll teilnehmen können, auch Familien mit Kindern. Wir treten also nicht martialisch auf, weder von der Kleidung von der Lautstärke und den Aktionen her. Für mich wird es schon problematisch, wenn Kinder Angst vor zu lauter Musik haben. Unsere Aktionen haben wir so ausgerichtet, dass sie gut kommunizierbar sind und in keinem Widerspruch zu den Zielen stehen. Unsere Formen sind einladend.

Haben Sie auch Gegenwind für Ihr Engagement erleben müssen?

Wer eine Position vertritt, erlebt auch Anfeindungen. So warf die CDU Leipzig mir „Selbstbeschäftigungstherapie“ vor und rief die Bürger auf, nicht zu demonstrieren. Ich bin froh, dass ich bis jetzt nicht körperlich angegriffen worden bin. Natürlich bekomme ich auch die leider üblichen Hass-Mail und Drohungen. Ich kann das ganz gut wegstecken, meiner Frau geht das näher. Gegen zwei Verfasser von Hass-Mails habe ich Strafanzeige erstattet. Wir hatten auch etliche begleitende Auseinandersetzungen mit dem Ordnungsamt, der Polizei und den Behörden. Meist ging es um Beschränkungsauflagen mit dem Hinweis, aus unseren Demos könne Gewalt verübt werden. Dagegen haben wir uns massiv gewehrt. Bei Demos, die ich zu verantworten habe, kam es zu keiner Gewalttätigkeit. Gut war, dass wir die Kontroversen offen ausgetragen haben. Das Ordnungsamt hat einmal zu einem Gespräch mit einem Mediator eingeladen. Das hat zur Entkrampfung geführt. Aber das alles war sehr anstrengend.

In Leipzig hat sich Legida jetzt von der Straße verabschiedet, Pegida läuft in Dresden immer noch. Was unterscheidet Leipzig von Dresden?

Was ist taz.meinland? Bis zur Bundestagswahl im September reist die taz durch meinland, deinland, unserland. An gut 50 Stationen machen wir Halt, um ins Gespräch zu kommen und für die offene Gesellschaft zu streiten.

Mehreres: Viele Verantwortliche aus Politik, Verwaltung und Kultur haben sich in Dresden nicht eindeutig positioniert. Ihnen war vor allem wichtig, mit den Pegida-Demonstranten zu reden, ihre „Sorgen“ ernst zu nehmen. So etwas funktioniert aber nur dann, wenn man sich über seine eigene Position im Klaren ist. Hinzu kommt die seit 25 Jahren währende Blindheit gegenüber allen rechten Tendenzen. Man meint, man sei immun gegen den Rechtsextremismus. Dabei gibt es Orte, in denen Rechtsextremismus gar nicht mehr auffällt, weil er so alltäglich ist.

Aber in Leipzig läuft es anders. Weshalb?

Bei uns ist das Engagement auch nicht vom Himmel gefallen. Ich erinnere mich an eine Nazidemo 1998. Schon damals waren Kirchen, Gewerkschaften, Parteien den Neonazis deutlich entgegen getreten, so auch in den Folgejahren. Dieses gewachsene Bündnis war abrufbar. Darauf kann Dresden nicht zurückgreifen – immer noch nicht.

Wie kann man denn jetzt Menschen zu einem Engagement gegen rechts motivieren, damit ein Bündnis wächst?

Es wird Zeit, Begeisterung zu schaffen: für die Demokratie, aber auch für die europäische Idee. Gerade im Reformationsjubiläumsjahr 2017 müssen wir eintreten für Pluralität, für sozialen Zusammenhalt. Vor allem die Parteien sind angehalten da mitzumachen, anstatt die Positionen und die Sprache der AfD zu übernehmen. Stattdessen muss klar werden, dass wir alle Probleme, mit denen wir uns herumschlagen, nur in unter den demokratischen Bedingungen lösen können. Wie bei unseren Demonstrationen: man darf nicht nur gegen etwas kämpfen, sondern vor allem für etwas.

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