Equal Pay Day 2017: Die Lücke der Lücke

Rechnerisch arbeiten Frauen bis zum 18. März kostenlos. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen neuen und alten Bundesländern.

Ein Mann und eine Frau in Arbeitskleidung mit Plakaten vor dem Brandenburger Tor

Protest zum Equal Pay Day im Jahr 2016 Foto: dpa

BERLIN taz | Liebe Leserin, Sie haben den Equal Pay Day leider verpasst. Zumindest, wenn Sie zu den acht Millionen Frauen gehören, die in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Thüringen leben.

In den neuen Bundesländern beträgt die Lohnlücke 7 Prozent. In den alten ist sie mehr als dreimal so groß. Dort verdienen Frauen 23 Prozent weniger als Männer. So kommt der Durchschnitt von 21 Prozent zustande und mit ihm der deutschlandweite Equal Pay Day am 18. März. Heute ist der Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten.

Das heißt: Würden alle denselben Stundenlohn bekommen, hätten Arbeitnehmerinnen für ihr Jahresgehalt von Neujahr bis heute zu Hause bleiben können. Oder umgekehrt: Würden Frauen seit dem 1. Januar täglich arbeiten und Männer erst ab heute, hätten sie bis Silvester dieselbe Jahressumme verdient.

Tatsächlich könnten Ostkollegen schon seit 26. Januar wieder zur Arbeit kommen und Westmänner Urlaub machen bis Ende nächster Woche.

Historisch gewachsene Unterschiede

Lebt in Männer-Egos die innerdeutsche Teilung fort? Bedeuten die Zahlen, dass Frauen im Osten weniger diskriminiert werden als im Westen?

„Das kann man überhaupt nicht sagen“, antwortet Christina Boll. Sie ist Forschungsdirektorin am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut, Expertin für Arbeitsmarktthemen und spricht von „Ausstattung“ und „Merkmalen“, die sich systematisch unterscheiden.

Zum Beispiel sei es „historisch gewachsen“, dass Frauen unterschiedlich viel Zeit für Kinderbetreuung veranschlagen. Im Westen hätten „Mütter eher Angst, dass das schlecht ankommt, wenn sie Vollzeit arbeiten“.

Die Quartalszahlen zum Arbeitsmarkt geben der Wissenschaftlerin recht: Mehr Ostfrauen arbeiten Vollzeit. Im Durchschnitt verbringen sie mehr Zeit am Fließband oder am Schreibtisch als die Kolleginnen im Westen. Bei Männern gibt es den Unterschied zwar auch, aber er ist nicht so groß.

Mehr Frauen in Führungspositionen

Dieselben Zahlen weisen darauf hin, dass Frauen im Osten bessere Jobs haben – zumindest arbeiten mehr von ihnen in Branchen mit guten Gehältern, zum Beispiel in der öffentlichen Verwaltung. Umgekehrt arbeiten im Osten Männer häufiger in Niedriglohnbranchen, zum Beispiel auf dem Bau.

Außerdem scheinen Ostdeutsche ihren Frauen mehr zuzutrauen. Denn die haben eine bessere Chance, in Führungspositionen aufzusteigen. „Das zieht sich einfach so durch, dass Frauen den Männern im Osten ähnlicher sind“, sagt Forscherin Boll.

Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass sich „fast drei Viertel des unbereinigten Gender Pay Gap auf strukturelle Unterschiede zurückführen“ lassen. Diese Unterschiede lassen sich rechnerisch entfernen. Die sogenannte bereinigte Lohnlücke unterscheidet sich kaum zwischen Ost und West.

Also doch ein deutschlandweiter Equal Pay Day, aber schon am 22. Januar? Die Familienministerin wäre wohl nicht begeistert. „Auch wenn man einen Teil des Gender Pay Gap mit strukturellen Unterschieden erklären kann, heißt das nicht, dass das fair ist“, kommentiert Manuela Schwesig die neuesten Zahlen. „Deswegen brauchen wir das Entgelttransparenzgesetz“, fordert die Ministerin. Im Bundestag diskutieren die Abgeordneten gerade über ihren Entwurf, laut dem Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen sagen müssen, wie viel ihre männlichen Kollegen verdienen.

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