Europa und der Iran-Atomdeal: Stärke zeigen, aber wie?

Europas Diplomatie will das Atomabkommen mit dem Iran trotz US-Ausstieg bewahren. Doch den Europäern läuft die Zeit davon.

Eine Frau und vier Männer posieren vor der Kamera

Treffen mit Hausaufgaben am Dienstagabend in Brüssel Foto: reuters

BRÜSSEL taz | Im Streit um das Atomabkommen mit Iran versucht die Europäische Union einen ungewöhnlichen Spagat. Sie will das Abkommen retten, zugleich aber die Beziehungen zu den USA nicht gefährden. Dies erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Ratspräsident Donald Tusk kurz vor einem EU-Sondergipfel am Donnerstag in Sofia.

Die transatlantischen Beziehungen hätten trotz aller Probleme überragende Bedeutung, sagte Merkel. Gleichwohl halte sie Trumps Entscheidung zum Ausstieg aus dem Atomabkommen für falsch. Der Iran erfülle seine Verpflichtungen. „Deshalb glauben wir, dass es nicht richtig ist, dieses Abkommen jetzt in dieser Situation zu kündigen.“

Ähnlich äußerte sich EU-Ratspräsident Tusk in seinem Einladungsschreiben für den Westbalkan-Gipfel in Sofia. „Solange Iran das Abkommen respektiert, wird die EU es ebenfalls respektieren.“ Dies sollten die 28 Staats- und Regierungschef, die sich bereits am Mittwochabend zu einem Arbeitsessen trafen, „ohne jeden Zweifel“ bekräftigen. Die EU müsse Stärke zeigen, so Tusk, und sich im Verhältnis zu den USA „auf „Szenarien vorbereiten, wo wir auf uns selbst gestellt handeln müssen“.

Beim „Leader’s Dinner“ in Sofia ging es zunächst aber nur um defensive Maßnahmen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die Außenbeauftragte Federica Mogherini wollten über die jüngsten Entwicklungen im Iran-Streit berichten und darlegen, wie man europäische Unternehmen vor US-Sanktionen schützen könnte.

Schutzmaßnahmen dürften sehr teuer werden

Ohne einen solchen Schutz dürften sich Firmen wie Airbus oder Peugeot aus dem Iran-Geschäft zurückziehen. Dies wiederum könnte die Führung in Teheran dazu veranlassen, sich ihrerseits vom Atomabkommen loszusagen. Trump hätte sein Ziel erreicht, und die EU hätte auf ganzer Linie verloren: wirtschaftlich und außenpolitisch.

Allerdings gestalten sich die Schutzmaßnahmen schwierig. Die EU erwägt, ein Abwehrgesetz aus dem Jahre 1996 zu reaktivieren. Das sogenannte „blocking statute“ war im Streit um Sanktionen gegen Kuba, Iran und Libyen erlassen worden. Damit könnte die EU die US-Strafen gegen Iran abblocken und betroffene europäische Firmen entschädigen. Das dürfte jedoch sehr teuer werden.

Die EU war nicht auf die US-Sanktionen vorbereitet. Und nun läuft ihr die Zeit davon. Denn Iran hat den Europäern ein Ultimatum gestellt. In spätestens 60 Tagen soll die EU Garantien liefern. Das ist kaum zu schaffen – zumal es noch andere heikle Fragen gibt.

Bei einem Treffen mit dem iranischen Außenminister Mohamed Dschawad Sarif am Dienstagabend in Brüssel kam eine ganze Liste von „Hausaufgaben“ zusammen. Neben der Abwehr der US-Sanktionen geht es dabei um den Verkauf von iranischem Öl, Gas und von Petro-Produkten sowie um die Absicherung der Bankgeschäfte mit Iran.

„Ein Familienangehöriger auf der Intensivstation“

Dafür wird der europäische Finanzdienstleister Swift gebraucht. Bis zur Einigung auf das Atomabkommen waren iranische Banken vier Jahre lang von Swift abgeklemmt und damit vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten.

Dies soll nicht wieder passieren – aber es ist unklar, ob sich die EU gegen die USA durchsetzen kann. Zuletzt hatte Washington den Chef der iranischen Zentralbank zum „Terroristen“ erklärt und jede Art von Geschäften mit dem Iraner unter Strafe gestellt.

Beim Außenministertreffen am Dienstag in Brüssel überwog zwar der Optimismus. Gleichzeitig wies Mogherini aber auf den Ernst der Lage hin. Mit Blick auf Iran und das Atomabkommen sagte sie: „Wir alle haben einen Familienangehörigen, der sich auf der Intensivstation befindet – und wollen den da so schnell wie möglich raus holen.“ Bisher hat die EU allerdings noch nicht einmal die richtige Therapie gefunden.

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