Frauenrechtler in Saudi-Arabien: Als Anerkennung in den Knast

Ab Ende Juni dürfen Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren. Begleitet wird der Schritt von einer Repressionswelle gegen FrauenrechtlerInnen.

13.05.2018, Saudi-Arabien, Riad: Eine Frau sitzt bei einer Automesse, die ausschließlich für Frauen ist, in einem Auto.

Diese Besucherin einer Automesse in Riad darf bald auch die Straße entlang brettern Foto: dpa

BERLIN taz | Keine drei Wochen mehr, dann dürfen sich die ersten Frauen in Saudi-Arabien hinter das Steuer setzen und Auto fahren – ganz offiziell, ohne das Gesetz zu brechen. In Feierlaune sind die FrauenrechtlerInnen im Königreich dennoch nicht. Noch immer befinden sich etliche von ihnen hinter Gittern.

Im Mai erst hatten saudische Behörden 17 AktivistInnen festgenommen. Begleitet wurde die Razzia von einer Verleumdungskampagne in den staatlichen und sozialen Medien. „Kontakt mit ausländischen Organisationen“ wurde den Frauen und Männern vorgeworfen. Deren Ziel sei es, die Stabilität des Landes und den sozialen Zusammenhalt der saudischen Gesellschaft zu untergraben.

Zwar teilte die Staatsanwaltschaft am Sonntag mit, dass acht Personen mittlerweile wieder auf freiem Fuß seien. Damit sitzen aber immer noch neun der festgenommenen AktivistInnen fest, da die Zahl der im Mai Festgenommenen mit 17 deutlich höher liegt als bislang bekannt. In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft hieß es, fünf Männer und vier Frauen seien weiterhin in Gewahrsam.

Unter den Freigelassenen waren nach Angaben von AktivistInnen und Menschenrechtsorganisationen Aischa al-Manea, Hissah Al al-Scheich und Madiha al-Adschrusch. Die drei zählen zur alten Garde der FrauenrechtlerInnen in Saudi-Arabien. Schon 1990 hatten sie an der ersten großen Protestaktion gegen das Autofahrverbot teilgenommen, das nun ab dem 24. Juni offiziell Vergangenheit sein soll. Damals brachen 47 Frauen in einer vielbeachteten Aktion das Verbot und fuhren durch die Straßen der Hauptstadt Riad.

Andere prominente inhaftierte AktivistInnen sind die Frauenrechtlerinnen Iman Al Nafdschan, Aziza al-Youssef und Loujain al-Hathloul. Al-Hathlul saß schon 2014 zwei Monate lang im Gefängnis, weil sie versucht hatte, im Auto aus den Arabischen Emiraten über die Grenze nach Saudi-Arabien zu fahren.

Vergangene Woche hatte das Europäische Parlament Saudi-Arabien aufgerufen, „jegliche Form von Schikanierung und Verfolgung von Menschenrechtlern zu stoppen“. FrauenrechtlerInnen müssten sich frei organisieren dürfen, forderten die Abgeordenten.

Frauen drängen auf den Arbeitsmarkt

Das Fahrverbot in Saudi-Arabien ist das im Ausland prominenteste Beispiel für die Diskriminierung von Frauen in dem streng-sunnitischen Königreich. Viele Frauen sind auf männliche Familienmitglieder angewiesen, um etwa den Weg zur Arbeit zurückzulegen. Wohlhabende Familien leisten sich private Fahrer, die fast ausnahmslos als Gastarbeiter – meist aus südostasiatischen Ländern – in Saudi-Arabien leben. Für diese dürfte die Aufhebung des Fahrverbots daher in vielen Fällen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und somit auch der Aufenthaltsgenehmigung einhergehen.

Da saudische Frauen seit Jahren massiv auf den Arbeitsmarkt drängen und mittlerweile prominente Stellen in Wirtschaft, Medien und im öffentlichen Sektor bekleiden, war auch der wirtschaftliche Druck gestiegen, das Verbot aufzuheben. Viele GegnerInnen des Fahrverbots argumentieren zudem, dass aus den islamischen Quellen keine Rechtfertigung für die Regelung ableitbar sei.

Für Kronprinz Muhammed bin Salman, der seinem greisen Vater König Salman die Regierungsgeschäfte weitgehend abgenommen hat, ist das Ende des Fahrverbots zudem eine willkomenne Gelegenheit, sich als progressiver Herrscher in Szene zu setzen. Dass die langsame wirtschaftliche und soziale Öffnung, die Muhammad bin Salman vorantreibt, nicht automatisch mit mehr politischen Rechten einhergeht, hat er mit der jüngsten Repressionswelle gezeigt.

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