Kampagne Deutsche Wohnen enteignen: Denn die Häuser gehören uns

Eine Kampagne fordert, den größten Immobilienkonzern Berlins zu enteignen. Öffentlichen Aktionen soll ein Volksentscheid folgen.

"Ganz Berlin hasst die Deutsche Wohnen"

Klare Ansage bereits auf der Mietendemo am 14. April Foto: imago/Christian Mang

BERLIN taz | „So eine Kampagne kann man nicht überall machen. Aber in Berlin, zu dieser Zeit und zu diesem Unternehmen geht das“, sagt Rouzbeh Taheri überzeugt. Soeben hat der erfahrene Mietenaktivist eine Initiative vorgestellt, die es so in der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat. „Spekulation bekämpfen. Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, heißt sie – und ist genauso gemeint. Das Ziel der Initiatoren ist es, die etwa 110.000 Wohnungen des größten privaten Immobilienkonzerns der Stadt wieder in die öffentliche Hand zu bekommen – auch gegen den Willen des Unternehmens.

Der öffentliche Startschuss für die Kampagne fiel am Donnerstagvormittag auf einer Pressekonferenz im Haus der Demokratie und Menschenrechte in der Greifswalder Straße. „Wohnraumverknappung, Bauskandale, der geplante Abriss Kreuzbergs – all das hätten Berlins MieterInnen in den vergangenen Jahrzehnten „mit Gelassenheit und Humor ertragen, aber jetzt stehen sie mit dem Rücken zur Wand“, sagt der linke Aktivist Michael Prütz zu Beginn. Es sei daher an der Zeit, „sich nicht mehr mit Korrekturmaßnahmen zu begnügen“.

Den großen Angriff auf das Kapital startet ein Bündnis aus Mieterinitiativen wie Kotti & Co, MieterInnen der Deutsche Wohnen, etwa aus der Kreuzberger Otto-Suhr-Siedlung, politischen Gruppen wie der Interventionistischen Linken und Mitgliedern aus Linke und Grünen. Es ist ein kleiner Kreis im Vergleich zur Mietenwahnsinn-Demo zwei Wochen zuvor, doch die Verbindungen in der Szene sind eng. Möglich ist also, dass die Kampagne in der nächsten Zeit das bestimmende übergeordnete Thema sein wird, neben all den lokalen Auseinandersetzungen von bedrohten Hausgemeinschaften und Kiez-Initiativen überall in der Stadt.

Kampagnensprecher Rouzbeh Taheri hat schon einmal die Politik vor sich hergetrieben: Mit dem Mietenvolksentscheid 2015 wollte er ein Gesetz für eine soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten erzwingen. Die Politik übernahm große Teile davon, bevor es zum Entscheid gekommen wäre. Doch das Problem einer immer teurer werdenden Stadt hat sich seitdem weiter verschärft.

Die börsennotierte Wohnungsgesellschaft besitzt bundesweit etwa 160.000 Wohnungen, davon 110.000 in Berlin. Der Großteil der Bestände kommt von den ehemals städtischen Wohnungsgesellschaften Gehag und GSW. 2017 erzielte der Konzern einen Jahresüberschuss von 1,8 Milliarden Euro. In Instandsetzungen wird wenig investiert, das Unternehmen fokussiert sich auf oft teure Modernisierungsmaßnahmen.

Jetzt soll das Mittel der Wahl wieder ein Volksentscheid sein. Die Erarbeitung von Eckpunkten für ein solches Enteignungsgesetz ist im Gang. Der Senat soll ein Gesetz ausarbeiten, das die Bestände des größten privaten Vermieters im Sinne des Gemeinwohls enteignet und entsprechende Entschädigungsregelungen trifft.

Taheri schätzt deren Höhe auf sechs bis sieben Milliarden Euro, die zum überwiegenden Teil kreditfinanziert sein könnten. Juristen halten diesen Plan für umsetzbar, sagt Taheri. So schreibe die Berliner Verfassung „das Recht auf angemessenen Wohnraum“ fest, das Grundgesetz ermögliche „Enteignungen zum Wohle der Allgemeineinheit“.

Schimmeplpreis und Aktionärsversammlung

Bevor die Aktivisten aber mit Klemmbrettern und Unterschriftenlisten auf die Straßen gehen, soll eine klassische Kampagne gefahren werden: Mit Aktionen wie der Übergabe eines „Schimmel-Preises“ oder der Organisierung kritischer Ak­tionäre zur nächsten DeutscheWohnen-Aktionärsversammlung im Juni. Taheri möchte eine „Debatte mit der Stadtgesellschaft“ führen, die er für die radikale Forderung gewinnen will. Nele Kahlau, eine Mieterin der Deutsche Wohnen in Weißensee, sagte auf der Pressekonferenz, die Initiative ziele auch darauf, dass Betroffene sich noch stärker vernetzen als bisher.

Viel Überzeugungsarbeit muss dabei wohl nicht geleistet werden. „Die Geschäftsstrategie der Deutsche Wohnen ist auf Spekulation und enorme Steigerung der Mieteinnahmen begründet. Diese Steigerung kann neben normalen Mieterhöhungen nur durch Zerschießen des Mietspiegels und Vertreibungsmodernisierungen zustande kommen“, sagt Taheri.

Schon im vergangenen Jahr kam eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Heinz-Josef Bontrup zu dem Schluss, das Unternehmen setze auf systematische Mieterhöhungen, oft über dem erlaubten Niveau des Mietspiegels, auf Desinvestment und teure Modernisierungen. Oder wie Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, sagt: „Das Verhalten der Deutschen Wohnen ist schon seit Jahren ein Affront gegenüber der Mieterstadt Berlin.“

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Über die Kampagne sagt Schmidberger, sie sei ein Vorstoß für eine „dringend nötige und stadtweite Debatte“, die daran erinnere, „dass Eigentum verpflichtet und der Allgemeinheit dienen soll“. Nötig seien dafür jedoch politische Veränderungen auf Bundesebene. Ihre Linksfraktions-Kollegin, Katalin Gennburg, äußert sich ähnlich: „Gäbe es auf Bundesebene ein Mietrecht, das MieterInnen schützt, würde heute wohl niemand die Enteignung von Wohnungskonzernen fordern.“ Weiter sagte sie der taz: „Ich begrüße die Initiative, denn es gilt die Angst der Mieterinnen und Mieter den Spekulanten zurückzugeben.“

Die Deutsche Wohnen äußerte sich auf Anfrage der taz nicht zu der Kampagne, die weiter am Image des Konzerns kratzen wird. Taheri erwähnt die bilanziellen Tricks des Konzerns, der seine Häuser von Jahr zu Jahr höher bewertet und nur deshalb Gewinn erwirtschaftet.

Mit ihrer Strategie ist die Deutsche Wohnen allerdings nicht alleine. Taheri stellt klar, dass Unternehmen wie Vonovia, Ado oder Akelius ebenso gemeint sind und auch bei ihnen „eine Änderung der Eigentumsverhältnisse“ angestrebt wird. Er fordert eine „Vergrämungsstrategie gegenüber den Fi­nanz­investoren“ und hofft auf einen Dominoeffekt, der auch auf den Plakaten der Kampagne angedeutet wird: „Wenn die Deutsche Wohnen kippt, kippen auch andere.“

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