Kolumne Pressschlag: Noch weniger Labbadia wagen

Herrlich, Tedesco, Kohfeldt. Unter den Trainern der Fußball-Bundesliga sind die Neueinsteiger die Gewinner der Saison.

ein Mann guckt verzweifelt, der Hintergrund ist grün-weiß gestreift

Zehn Spiele, ein Sieg: Bruno Labbadias desaströse Wolfsburg-Bilanz Foto: dpa

Elf Spieler braucht ein Team, um Fußball zu spielen. Und um eine Bundesliga-Saison erklären zu können, genügen im Grunde genommen 18 Trainer. Hinter dem riesigen Schatten der großen Lenker an der Seitenlinie verschwinden derzeit ganze Star-Ensembles. Robert Lewandowski hätte diese Saison auch 50 Tore erzielen können. Es hätte wohl wenig daran geändert, dass Jupp Heynckes am letzten Spieltag die Bühne allein ausfüllen wird, wenn es darum geht, die Erfolge dieser Spielzeit zu würdigen.

Und beim VfL Wolfsburg dürften wohl diverse vermeintliche Ausnahmespieler wie Didavi oder Origi weiter als Statisten sich auf dem Feld verdingen, die VfL-Fans haben sich ihr Fazit – so gut sie es eben konnten – schon in Leipzig zusammengereimt: „Wir steigen ab, wir kommen nie wieder – wir haben Bruno Labbadia!“

Der größte Virtuose und der größte Depp dieser Bundesligasaison sind also schon ausgemacht. Daran wird sich auch kaum etwas ändern, wenn die Wolfsburger noch irgendwie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen sollten.

Mit Heynckes geht allerdings das Modell des Magischen in Rente. Keiner weiß genau, wie er das anstellt. Aber allein seine Gegenwart scheint vielen den verloren gegangenen Glauben an ihre Stärke wieder zurückzu­geben. Und als die Wolfsburger in größter Not diesen einstigen HSV-Retter Labbadia unter Vertrag nahmen, spekulierte man auch – obgleich auf ganz anderer Ebene – auf diese magischen Momente, die mit diesem Mann verbunden werden. Funktioniert hat das genauso wenig wie der Versuch des Hamburger SV, mit dem einstigen Vereinsidol Bernd Hollerbach die Wende herbeizuzaubern, einen alten Mythos wiederzubeleben.

Korkut galt als vorzeitige Kapitulationserklärung

Die wahren Gewinner dieser Saison sind Trainer, die unglamouröser kaum sein könnten. Die Bundesliganeulinge Heiko Herrlich und Domenico Tedesco hatten so gut wie keinen Kredit, als sie zu Saisonbeginn ihre Arbeit bei Leverkusen und Schalke aufnahmen. Und die Verpflichtung von Tayfun Korkut betrachteten viele Fans des VfB Stuttgart gar als vorzeitige Kapitulationserklärung im Kampf gegen den Abstieg. Am letzten Spieltag könnte es nun noch mit der Europa League klappen. Ebenso beeindruckte Florian Kohfeldt bei seinem ersten Bundesligaengagement und führte Werder Bremen mit ansehnlichem Fußball aus dem für gewöhnlich unansehnlichen Abstiegskampf.

Sie konnten allesamt nichts vorweisen, was gestandene Fußballprofis hätte beeindrucken können. Sie sind reine Handwerker. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in den Jugendabteilungen verschiedener Klubs eine solide Ausbildung absolvierten und ihr Amt nicht übertragen bekamen, weil sie gute Fußballer waren.

Es ist gut möglich, dass am Ende dieser Saison zwei Bundesliganeulinge ihre Teams auf zwei der vier Champions-League-Plätze gecoacht haben. Und sowohl bei Leverkusen als auch bei Schalke hat man den Eindruck, dass da recht unaufgeregt, einem Plan, einer Idee nachgegangen wurde – anders übrigens als bei Borussia Dortmund, die erstaunlicherweise noch den dritten Platz belegen.

Kein Platz für sagenumwobene Feuerwehrmänner

Es tut sich also einiges in der Bundesliga. Wie etwa das Beispiel Bremen zeigt: Die gut ausgebildeten Sachverständigen sind selbst in Krisensituationen mehr gefragt als die sagenumwobenen Feuerwehrmänner. Die Ergebnisse dieser Saison wird die Entwicklung bestärken: Mehr Kohfeldt, weniger Labbadia heißt die Devise.

Manche mögen der Kritik von Mehmet Scholl, dass die aufstrebenden Taktiknerds und Laptoptrainer den Fußball seiner Intuition berauben, etwas abgewinnen. Klar, wer derzeit in der Bundesliga vor allem auf Intuition setzt, steht auf verlorenem Posten. Doch das eine schließt das andere nicht aus. Und bei einigen war das in der Liga ja erst die Premiere. Mit dem Erfolg wird auch der Mut steigen.

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Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

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