Kommentar Koalitionsausschuss: Politisches Nullsummenspiel

Die Union setzt auf Sicherheit, die SPD auf Gerechtigkeit. Das Ergebnis ist ein wenig überraschendes Koalitions-Unentschieden.

Jemand hebelt ein Fenster mit einem Schraubendreher auf

Thema beim Koalitionsgipfel: Ein Kriminalbeamter demonstriert, wie leicht sich ungesicherte Fenster aufhebeln lassen Foto: dpa

Sportmetaphern übersetzen die komplizierten Details politischer Deals in leicht begreifbare Bilder. Der Koalitionsausschuss scheint so gesehen erst mal ein Punktsieg für die Union. Schon vor Spielanpfiff haben Kauder & Co. SPD-Chef Martin Schulz aufs Feld beordert. Der wäre erst lieber später aufgelaufen. Seine Popularität verdankt sich ja auch der Ferne zu den Kompromissmaschinen der Großen Koalition.

Inhaltlich hat sich die Union durchgesetzt, wenn auch nur in Details. Die Kontrollmöglichkeiten gegen Asylbewerber, die mehrfach Sozialleistungen beziehen, werden erweitert. Wie sehr das die Alltagspraxis verändert, wird man sehen. Denn mehr Abschiebungen, wie es die Union wollte, wird es nicht geben. Ins Bild passt, dass Einbruchdiebstahl künftig mit mindestens einem Jahr Haft bestraft wird. Die SPD wollte nur sechs Monate.

Härtere Strafen wirken immer markig. Bei Einbrüchen ist allerdings nicht das Problem, dass Täter zu milde bestraft werden, sondern dass sie selten einen Gerichtssaal von innen sehen: Die Aufklärungsquote liegt unter 20 Prozent. Die höhere Mindeststrafe nutzt daher wenig, um Einbrüche zu verhindern. All das ist Vorspiel des Wahlkampfs der Union: mehr Stärke und Härte gegen Migranten und Kriminelle. Zumindest in den Überschriften. So will die Union die Lücke nach rechts schließen.

Die Agenda der SPD bei diesem Koalitionsausschuss zielte auf mehr Gerechtigkeit und Minderheitenrechte. Doch bei der Ehe für alle, der Begrenzung von Managergehältern und dem Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeitjobs hat die Union abgeblockt. Oder wachsweiche Kompromisse angeboten, die Schulz und seinen Leuten eher schädlich als nützlich schienen. Martin Schulz braucht Wahlkampfthemen, die Unterschiede zur Union markieren. Da sind Managergehälter und Arbeiternehmerrechte genau das richtige.

Ja, die Union hat ein wenig, die SPD nichts durchgesetzt. Aber die Begriffe Sieg und Niederlage fassen das Ergebnis dieses Koalitionsausschusses nicht recht. Die Union setzt auf Sicherheit, die SPD auf Gerechtigkeit. Die Große Koalition zeigt, dass sie trotz knapper Zeit und Vorwahlkampf noch irgendwie handeln kann. Machtpolitisch ist das ein Nullsummenspiel. Oder sportlich gesagt: unentschieden.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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