Musik der Hamburger Schule: „Nicht so schüchtern!“

Die 2007 aufgelöste Band Blumfeld hat am Samstag in Frankfurt am Main gespielt – und bewiesen, wie stringent ihr Werk ist.

Drei Männer in schwarz-weiß

Die Blumfeld-Gründungsmitglieder André Rattay, Jochen Distelmeyer, Eike Bohlken (v.l.n.r.) Foto: Buback

Da sind sie also wieder: Zu den Klängen von Tschaikowskys „Tanz der Zuckerfee“ betreten die Blumfeld-Gründungsmitglieder Jochen Distelmeyer, André Rattay und Eike Bohlken am Samstagabend die kleine Bühne im Zoom in Frankfurt am Main. Ganz so fremd sind sie einem nicht geworden, hatte man sie ja doch seit der Auflösung von Blumfeld 2007 alle paar Jahre mal wieder auf der Bühne sehen können – Distelmeyer solo oder zuletzt wieder in Originalbesetzung.

Nachdem die Band dann Ende letzten Jahres beim Lieblingsplatte-Festival in Düsseldorf ihr erstes Album „Ich-Maschine“ aufführte, kam die Idee, O-Ton Distelmeyer: „Das könnten wir doch fortsetzen.“ Fortsetzung im Konkreten ist nun also erst mal die „Love Riots Revue 2018“, eine Revue im besten Sinne des Wortes, wie man sehen wird.

Im ausverkauften Club nun beginnen Blumfeld ihr Set mit „Einfach so“, einer B-Seite aus „Heavy“-Zeiten. „Manchmal denke ich, ich sollte mir eine Knarre kaufen und durch die Chefetagen Amok laufen, einfach so“, alteriert Distelmeyer den Text über das sinnlose Tagein-tagaus, während der stumpfe Beat sich selbst voranzutreiben scheint und die zweite Gitarre eine nicht enden wollende Feedback-Schleife produziert. Nach dem lauten Eröffnungsstück geht dann ein sichtlich gut gelaunter Jochen Distelmeyer zum ersten Mal auf lokalkolorierte Tuchfühlung mit dem Publikum: „Ei Gude, wie?“ Die Band widmet sich sodann Material aus „Ich-Maschine“ und „L’Etat et Moi“-Zeiten: „Von der Unmöglichkeit ‚Nein‘ zu sagen, ohne sich umzubringen“, „Viel zu früh und immer wieder: Liebeslieder“, oder auch „Ich – wie es wirklich war“.

Der Fokus des Abends liegt dann auch eindeutig auf Liedern dieser ersten beiden Platten, bei denen Eike Bohlken noch Bandmitglied war und mit seinem trockenen Bass-Sound sowie prägnantem Spiel maßgeblich den Klang der Band beeinflusste. Der Sound ist wuchtig, mit Unterstützung von Daniel Florey und später Tobias Levin entwickeln sich zeitweilig fast Wall-of-Sound-artige Klanggebilde. Es gibt aber auch kleine Schnitzer: verstimmte Gitarren, einige Patzer im Zusammenspiel. Songs wie „Draußen auf Kaution“ fehlen Drive und Dringlichkeit, „Eintragung ins Nichts“ stolpert ein wenig vor sich hin.

Retro-Party oder Prolog eines neuen Kapitels?

All das tut der guten Laune natürlich keinen Abbruch: „Das war stark!“, ruft da einer auf die Bühne. „Du bist aber auch Hardcore“, antwortet Distelmeyer. Zwischendurch erzählt er, was für eine „wundervolle und auch coole“ Stadt Frankfurt doch sei und Hessen erst – die Toskana Deutschlands! Er lässt es sich natürlich auch nicht nehmen, alle Zutaten der Frankfurter Spe­zialität Grüne Soße aufzuzählen, was das Publikum mit viel Jubel goutiert.

Neben all dem, wofür die Band Blumfeld so oft ausführlich besprochen wurde, wird an diesem Abend deutlich, wie stringent das musikalische Werk ist: Im Sound leicht angepasst stehen Songs wie „Wir sind frei“ problemlos neben älteren Stücken à la „Aus den Kriegstagebüchern“. Und dann noch, siehe oben, Distelmeyers Talent als kecker Showmaster: „Nicht so schüchtern, man muss nicht cool sein!“ ruft er dem Publikum entgegen, als dieses einmal nicht so recht mitklatschen will, während er zuvor noch – Rockstar par excellence – seine brennende Zigarette im Gitarrenhals festgeklemmt hatte.

Nach gut zwei Stunden und vier Zugaben ist dann endgültig Schluss. Am Ende ist man sich dann nicht so ganz sicher, ob man hier einer spaßig-verschwitzten Retro-Party mit nostalgischem Touch beigewohnt hat oder ob das nun der Prolog eines neuen Kapitels ist. Vielleicht aber auch egal, wenn jemand am Ende laut gen Bühne brüllt: „Ihr macht uns glücklich“, und Distelmeyer nur verschmitzt lächelnd antwortet: „I feel it.“ Fast so wie bei einer ganz normalen Band.

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