Rechte unterwandern Wahl der Schöffen: Niedersachsen will Bewerber prüfen

Rechtsextreme Gruppen versuchen, ihre Leute als Schöffen wählen zu lassen. Niedersachsens Justizministerin will diese Kandidaten aussortieren.

Die modellhafte Nachbildung der Justitia steht im Raum eines Richters des Landgerichts neben einem Holzhammer und einem Aktenstapel.

Justitia sucht immer wieder Schöffen: Skulptur im Raum eines Duisburger Richters Foto: Volker Hartmann/dpa

HAMBURG taz | Angesichts der bevorstehenden Schöffen-Wahlen will Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) von den Bewerbern das Einverständnis einholen, sich vom Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Damit sollen Verfassungsfeinde von dem Ehrenamt abgeschreckt werden.

Nach fünf Jahren stehen bundesweit wieder die Schöffenwahlen an; allein in Hamburg werden knapp 10.000 Laienrichter gesucht. Doch nicht alle Bürger sind in diesem Amt erwünscht – auf dem Boden des Grundgesetzes sollten sie schon stehen. Verfassungstreue wird bei Schöffen bislang aber kaum geprüft. Umso dringlicher ist die Frage, wie bei dieser Wahl verhindert werden kann, dass Verfassungsfeinde als Schöffen Recht sprechen.

Für Nichtjuristen gibt es kein Amt, das einen direkteren Einfluss auf gerichtliche Urteile erlaubt als das richterliche Ehrenamt. Kein Wunder, dass rechte Gruppen ihre Anhänger in den sozialen Netzwerken – mit Posts wie „Bitte, Schöffen auf’s Bein“ aufrufen, sich als Laienrichter zu bewerben. Die Folge zeigte sich jüngst wieder in einem Prozess gegen mutmaßliche Schleuser im Landgericht Erfurt, in dem eine Schöffin mitentschied, die rechte Demonstrationen organisiert und ein NPD-Treffen besucht hatte: Rechte sprechen Recht.

Denn Schöffen – Normalbürger, die keinerlei juristische Vorbildung mitbringen – sitzen in Gerichtsverhandlungen neben dem Richter, urteilen gemeinsam über den Tat­hergang, die Schuldfrage und bestimmen eine Strafe für den Angeklagten. Weil alle Stimmen gleich viel zählen, können die Laienrichter die Juristen überstimmen.

Zwar müssen die Bewerber auf das Ehrenamt versichern, dass sie in den letzten zehn Jahren nicht zu einer Freiheitsstrafe oder auf Bewährung verurteilt worden sind und nicht bei der Stasi tätig waren. „Im Hinblick auf ihre Verfassungstreue werden die Bewerber aber nicht überprüft“, bestätigt Carsten Wagner, Pressesprecher des niedersächsischen Justizministeriums.

Andrea Lucas, Neue Richtervereinigung Hamburg

„Häufig wählen Richter jene Schöffen, die dann am Ende in der Verhandlung neben ihnen Platz nehmen; die Wahl ist parteiisch“

Die Schöffen werden vor ihrer ersten Gerichtsverhandlung mit dem Schwur vereidigt, „die Pflichten eines ehrenamtlichen Richters getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des jeweiligen Bundeslandes und getreu dem Gesetz zu erfüllen“. Doch der niedersächsischen Justizministerin Kathrin Wahlmann reicht das nicht. Sie forderte im Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur: „Die Bewerberinnen und Bewerber sollen künftig dazu aufgefordert werden, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen.“

Dieses Bekenntnis soll allerdings nicht weiter geprüft werden. Vielmehr sollten die Bewerber gefragt werden, ob sie sich mit einer eventuellen Prüfung durch den Verfassungsschutz – auch während ihrer Amtszeit als Schöffe – einverstanden erklärten. Damit verfolge „die Ministerin die Absicht, Feinde der Verfassung abzuschrecken, das Vertrauen in dieses so wichtige Ehrenamt zu erhöhen und im Bedarfsfall (!) die Überprüfung durch den Verfassungsschutz einfach und schnell durchführen lassen zu können“, sagt ihr Sprecher Wagner.

Die justizpolitische Sprecherin der Grünen in Niedersachsen, Evrim Camuz, ordnet diese Drohung als wirksam ein, zeigt aber Bedenken, dass dadurch nicht nur Ex­tremisten vor einer Bewerbung als Schöffe zurückschrecken könnten, sondern im Zweifel auch andere – verfassungstreue – Personen. Kritik kommt auch von den Linken in Niedersachsen: Sie halten den „intransparent arbeitenden“ Verfassungsschutz für ungeeignet, Schöffen zu überprüfen und nehmen die Justiz sowie die Politik in die Verantwortung.

In Hamburg hält die Justizbehörde an dem herkömmlichen Auswahlverfahren fest, steht damit aber genauso in der Kritik. In der Theorie wählen die Bezirksversammlungen die Schöffen-Kandidaten, die dann wiederum von Richterwahlausschüssen an den Amtsgerichten ausgewählt und zu Laienrichtern ernannt werden. Praktisch beschränke sich das Aufstellen der Kandidaten häufig aber nur „auf das Abnicken von Namenslisten“, sagt Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion in Hamburg.

Bei der Wahl durch die Berufsrichter sieht Andrea Lucas, Sprecherin des hamburgischen Landesverbandes der Neuen Richtervereinigung, noch ein ganz anderes Problem: „Häufig wählen jene Richter die Schöffen, die dann am Ende in der Verhandlung neben ihnen Platz nehmen“, warnt sie. Die Wahl ist höchst parteiisch.“

Bestrebungen, das Auswahlverfahren zu reformieren, gibt es weder in Hamburg oder Niedersachsen noch auf Bundesebene. Erst kürzlich stellte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Gesetzesentwurf vor, der an dem ohnehin obligatorischen Eid ansetzt: „Ehrenamtliche Richterinnen und Richter müssen die Gewähr dafür bieten, jederzeit für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.“ Bis diese Änderung des Richtergesetzes verabschiedet ist, sprechen schon wieder neue Schöffen Recht.

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