Aktuelle Lage in der Ukraine: Parlamentarier ohne Papiere

Ukraines Präsident Selenski entzieht vier Abgeordneten wegen „Hochverrats“ die ukrainische Staatsbürgerschaft. Sie sollen mit Russland kooperiert haben.

Wolodimir Selenski steht mit schusssicherer Weste vor einem beschädigten Haus

Die Entscheidung steht laut dem ukrainischen Präsidenten im Einklang mit der Verfassung Foto: Ukrainischer Präsidentenpalast via dpa

BERLIN taz | Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat vier Parlamentsabgeordneten die Staatsbürgerschaft entzogen. Ihnen wird Hochverrat vorgeworfen. Seine Entscheidung sei auf der Grundlage von Unterlagen erfolgt, die der Sicherheitsdienst und der Staatliche Migra­tionsdienst der Ukraine erstellt hätten und sie stünde im Einklang mit der ukrainischen Verfassung. „Wenn die Abgeordneten sich dafür entscheiden, nicht den Menschen in der Ukraine zu dienen, sondern den Mördern, die in die Ukraine gekommen sind, dann werden unsere Maßnahmen angemessen sein“, sagte Selenski in seiner täglichen Videoansprache am Dienstagabend.

Bei den Betroffenen, die ihres ukrainischen Passes verlustig gehen und die Ukraine verlassen haben, handelt es sich um Wiktor Medwedschuk, einen engen Vertrauten von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Medwetschuks Geschäftspartner Taras Kosak, den ehemaligen stellvertretenden Generalstaatsanwalt Renat Kuzmin sowie den Geschäftsmann und Medienmogul Andrei Derkatsch. Während Letzterer fraktionslos ist, gehören die drei anderen der prorussischen Partei „Oppositionelle Plattform – für das Leben“ an.

Im März 2022 hatte der Nationale Sicherheitsrat der Oppositionsplattform für die Dauer des Kriegsrechts ihre Tätigkeit untersagt. Sechs Monate später bestätigte der Oberste Gericht der Ukraine letztinstanzlich ein Verbot der Partei. Bei der nächsten Sitzung des Parlaments könnte den vier Männern ihr Abgeordnetenmandat entzogen werden.

Wiktor Medwedschuk war bereits im Mai 2021 des Hochverrats beschuldigt und unter Hausarrest gestellt worden. Im vergangenen April versuchte er, aus dem Arrest zu flüchten und wurde vom ukrainischen Inlandsgeheimdienst (SBU) festgenommen. Gegen Medwedschuk liegen weitere Anschuldigungen vor: Förderung des Terrorismus, der Versuch, nationale Ressourcen auf der Halbinsel Krim zu stehlen sowie die illegale Aneignung eines Abschnitts der staatlichen Gaspipeline durch das Unternehmen Prikarpatzachidtrans im Wert von mehr als 200 Millionen Hriwna (umgerechnet rund 5 Millionen Euro). Im vergangenen September kam Medwedschuk bei einem Austausch russischer gegen ukrainische Kriegsgefangene frei.

3 bis 4 Millionen Dollar Schmiergeld

Auch Geschäftsmann Taras Kosak, bis zu deren Schließung im Februar 2021 Besitzer der drei Fernsehkanäle „112 Ukraine“, „News­One“ und „Zik“, soll versucht haben, sich auf der Krim zu bereichern. Andrei Derkatsch soll beim Kreml auf der Gehaltsliste gestanden haben: Mehrmals im Jahr soll der russische Militärnachrichtendienst (GPU) 3 bis 4 Millionen US-Dollar für den Aufbau eines Netzwerks von Sicherheitsfirmen ausgereicht haben, um Russland bei einem Angriff auf die Ukraine zu unterstützen.

In den Jahren 2019 bis 2022 hätten russische Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden rund eine halbe Million US-Dollar springen lassen. Dieses Geld habe, so die ukrainische Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft, dazu gedient, das Image der Ukraine international nachhaltig zu beschädigen.

Renat Kuzmin soll sich vor allem um die Verbreitung von Propaganda gegen die Ukraine verdient gemacht haben – sowohl vor als auch nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im Dezember 2019 hatte er im prorussischen Fernsehsender „112 Ukraine“ davon gesprochen, dass die prorussischen Kämpfer in den sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk den Donbass vor Präsident Wolomir Selenski schützten.

Den jüngsten Fällen einer Aberkennung der Staatsbürgerschaft dürften übrigens weitere folgen. Dies sei nicht die letzte derartige Entscheidung gewesen, sagte Selenski am Dienstagabend. Die Dienste arbeiteten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.