Niederlage für Fußballbundestrainer: Experimente verboten!

Nach drei dürftigen Länderspielen herrscht beim EM-Gastgeber Deutschland Katerstimmung. Hansi Flick ist nur noch Bundestrainer auf Bewährung.

Bundestrainer Hansi Flick gestikuliert an der Seitenlinie

Alle Fingerzeige helfen nichts: Bundestrainer Flick verspürt an der Seitenlinie Machtlosigkeit Foto: Federico Gambarini/dpa

BERLIN taz | Völlig anders war diese Woche geplant. Gegen drei mittelprächtige Gegner sollte die deutsche Elf sich ohne Wettbewerbsdruck einem größeren Flick-Plan folgend ein wenig ausprobieren können und so nebenbei das von der Fußball-WM enttäuschte Publikum unterhalten.

Und um die gute Stimmung ein Jahr vor der Europameisterschaft im eigenen Lande weiter anzuheizen, stand beim Abschlussspiel in Gelsenkirchen gegen Kolumbien die Vorstellung des knuddeligen Turniermaskottchens auf dem Programm. Die Frage nach dessen zukünftigem Namen (Albärt, Bärnardo, Bärnheart oder doch Herzi von Bär?) sollte die Menschen bewegen.

Doch nach dem glücklichen Remis in der Nachspielzeit gegen die Ukraine, der Niederlage in Polen (0:1) und dem verpatzten Auftritt in Gelsenkirchen (0:2) macht ein anderes Maskottchen von sich reden. Als solches wurde Rudi Völler jedenfalls von etlichen bislang wahrgenommen, als er aus der Rente zurückgeholt wurde, um den deutschen Fußball wieder zukunftsfähig zu machen.

Ein „Herzi von Flick“, der genau das tat, was von ihm erwartet wurde: er herzte den Trainer („Da bin ich sowas von überzeugt, dass Hansi Flick das hinbekommen wird“), knuddelte mit einem Weltmeistervergleich das deutsche Team („Keiner soll mir sagen, dass die Argentinier besser sind als wir“), entfachte rundum positive Stimmung.

Machtwort von Rudi Völler

Am Dienstagabend erfolgte die radikale Kehrtwende. Nach den drei Spielen, erklärte Völler, müsse man sagen, „dass unsere Qualität nicht mehr die allergrößte ist wie noch vor einigen Jahren. Das habe ich am Anfang unterschätzt.“ Flick sei die ärmste Sau. Und einige der jetzigen Nationalspieler würden in den kommenden Partien keine Rolle mehr in der DFB-Elf spielen.

Letztere Bemerkung dürfte wohl kaum mit Hansi Flick abgesprochen gewesen sein, der sich wie sein Vorgänger Joachim Löw durch eine hohe Loyalität zu seinen Spielern auszeichnet. Das Machtwort von Völler kam einer Entmachtung von Flick gleich, denn der wird bei der nächsten Kaderberufung daran gemessen werden. Das Problem ist nur, dass Flick nicht der Vorwurf gemacht werden kann, er habe bessere Spieler ignoriert. Die Auswahl international wettbewerbsfähiger Spieler ist begrenzt. Völler dürfte wie so oft nach dem Spiel aus der Emotion gesprochen haben, ohne die Folgen zu bedenken.

Völler will nicht mehr den Gute-Laune-Bär des Nationalteams spielen. Der Stimmungswandel engt auch den Gestaltungsspielraum für Hansi Flick enorm ein. Sein Plan, nach der WM größere Veränderungen vorzunehmen, ist bereits nach fünf Länderspielen in diesem Jahr und nur einem Sieg gegen Peru gescheitert.

Selbst die besten Spurenleser können nicht entschlüsseln

Das liegt zum einen daran, dass selbst die besten Spurenleser der vergangenen Spiele nicht entschlüsseln konnten, in welche Richtung Flick das Team entwickeln möchte. Zu sehr wurde etwa die neue taktische Abwehrformation mit wechselnden Spielern eingeübt. Zu wild wurden Spieler gar in der Partie gegen Kolumbien, bei der ein gewisser Ergebnisdruck nicht mehr zu leugnen war, auf Positionen versetzt, wo ihre Stärken nicht zum Tragen kam (İlkay Gündoğan, Emre Can). Flick hat vermutlich zu viel auf einmal von seiner Mannschaft verlangt.

Zum anderen aber sieht sich Flick mit einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung konfrontiert, nach der die Erneuerung des Teams nur durch erfolgreiche Experimente auf den Weg gebracht werden darf. Nur so lange Deutschland gewinnt, darf ausprobiert werden.

Der Autoritätsverlust von Flick könnte kaum größer sein. Über den Wundertrainer von 2020, als er in seiner ersten Saison mit dem FC Bayern München sofort alle möglichen Titel holte, wundern sich die meisten nur noch, als ob er von seinem Handwerk keine Ahnung hätte. Den Versuch mit der Dreierabwehrkette hat am Dienstag nicht Flick für gescheitert erklärt, sonderen sein Spieler Emre Can. Man habe etwas ausprobiert und müsse nun daraus seine Lehren ziehen. „Die Viererkette liegt uns mehr.“

All das sind keine guten Signale für Hansi Flick. In der kommenden Saison, im September, sind Freundschaftsspiele gegen Japan und Frankreich anberaumt. Für den Bundestrainer wird es dabei um seinen Job gehen. Experimente sind eh verboten.

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