Koranverbrennung in Stockholm: Provokation mit Koran zündet nicht

In Schweden darf ein Aktivist den Koran verbrennen, direkt vor einer Moschee – zum islamischen Opferfest. Gerichte hatten zuvor Verbote aufgehoben.

Polizisten an einem Sicherheitsgitter

Polizisten vor der Moschee in Stockholm am Mittwochmorgen Foto: Stefan Jerrevång/Imago

STOCKHOLM taz | „Legal, aber nicht angemessen. Eine absichtliche Provokation.“ So kommentierte Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson eine am Mittwochnachmittag veranstaltete demonstrative Koranverbrennung vor der Stockholmer Zentralmoschee am Medborgarplatsen anlässlich des ersten Tags des islamischen Opferfestes Eid al-Adha.

Vor 200 Neugierigen und einem großen Polizei- und Medienaufgebot riss ein einzelner Demonstrant gegen 14 Uhr mehrere Seiten aus einem Koran, verbrannte einige und wischte sich mit anderen die Schuhe ab. Abgesehen von der Festnahme eines Mannes, der einen Stein auf den Koranverbrenner werfen wollte, verlief die Aktion ohne Zwischenfälle. Stockholms Polizei hatte Verstärkung aus dem ganzen Land erhalten, um etwaigen Unruhen begegnen zu können.

Anders als im Frühjahr vergangenen Jahres, als der dänische Rechtsextremist Rasmus Paludan eine regelrechte Koran-Verbrennungstour durch Südschweden unternahm, die Proteste und teilweise heftige Krawalle auslöste, steht hinter der jetzigen ersten Aktion dieser Art im Jahr 2023 der in einem Stockholmer Vorort wohnhafte 37-jährige Salwan M.

Medien gegenüber beteuerte er, die Koranverbrennung habe nichts mit dem geplanten schwedischen Nato-Beitrittsantrag zu tun. Sie sei als Kritik gegen den Koran und die Scharia-Gesetzgebung gemeint, die seiner Meinung nach eine Bedrohung für Schwedens Demokratie sei. Der Koran müsse verboten werden. Er wolle die Verbrennung auch nicht als Ausdruck von Hass gegen Muslime verstanden wissen.

Gerichte hatten Verbrennungsverbote aufgehoben

Der wegen Androhung von Gewalt vorbestrafte M. hatte schon vor einiger Zeit eine Demonstrationsgenehmigung für einen Protest mit Koranverbrennung beantragt, die damals von der Polizei aber wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgelehnt worden war. Das war eine von der Polizei aufgrund der Ausschreitungen anlässlich der letztjährigen Koranverbrennungen monatelang gebrauchte routinemäßige Begründung.

Solch polizeiliche Verbote waren aber nachträglich von Gerichten ebenso routinemäßig als Verstoß gegen das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit für ungültig erklärt worden. Woraufhin die Polizei wiederum regelmäßig Berufung gegen diese Urteile eingelegt hatte.

Dem Vernehmen nach stand politischer Druck hinter diesem Verhalten der Polizei. Die Regierung habe versucht, Aktionen zu verhindern, von denen sich die Türkei provoziert fühle. Der türkische Präsident Erdogan könne sie als weiteren Vorwand verwenden, um die Zustimmung zum schwedischen Nato-Beitritt zu verweigern.

Bibelverbrennung war schon erlaubt

Laut mittlerweile öffentlich gewordenen internen Polizeirichtlinien waren alle Dienststellen angewiesen worden, keinerlei Koranverbrennungen mehr zuzulassen. Ausdrücklich wurde hervorgehoben, dass ein solches Verbot nicht für Flaggen oder für andere religiöse Bücher gelte: Das Verbrennen der Bibel sollte also nicht verboten werden. Begründet wurde das damit, dass gerade das Verbrennen von Koranen die Sicherheit Schwedens gefährden und die Gefahr von Terrorattentaten steigern könne.

Mitte Juni hatte dann ein oberes Verwaltungsgericht diese Argumentation grundsätzlich für rechtswidrig erklärt. Ein Verweis auf ein abstraktes allgemeines Risiko für eine Terrorhandlung sei nicht ausreichend, um eine Demonstration zu verbieten. Wenn, dann müsse konkret dargelegt werden, warum eine spezielle Aktion unmittelbar zu einer erhöhten Terrorgefahr für das Land führen könnte. Ansonsten gelte auch für derartige Aktionen die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Aufgrund dieser Grundsatzentscheidung hatte die Stockholmer Polizei den erneuten Antrag von Salwan M. auch genehmigt.

Imam spricht von Provokation

Imam Mahmoud Khalfi bedauerte das am Mittwoch gegenüber Medien: „Wir hatten am Montag ein Gespräch mit der Polizei, nachdem wir von den Plänen erfahren hatten. Unser Wunsch war es, dass die Genehmigung überhaupt nicht erteilt wird. Sollte sie jedoch erteilt werden, wollten wir zwei Punkte sicherstellen: dass die Genehmigung nicht mit den Gebetszeiten kollidiert und dass der Standort ein paar hundert Meter entfernt gewählt wird.“

Dass die Genehmigung nun am Platz unmittelbar vor dem Haupteingang der Moschee und für die Zeit nach der Beendigung des Mittagsgebets erteilt wurde, bezeichnete Mahmoud Khalfi als „reine Provokation“. Er habe bei der Polizei nachgefragt, warum das so gehandhabt worden sei, aber keine konkrete Antwort erhalten.

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