Justizreform in Israel: Das Wie ist falsch, die Angst nicht

Die nun in Israel durchgesetzte Justizreform ist nichts Neues, es gibt auch Gründe dafür. Doch die Umsetzung läuft in eine völlig falsche Richtung.

Demonstrant:innen mit Megafon und Transparenten.

Die Proteste gegen die Justizreform gehen weiter: Am Donnerstag in Tel Aviv Foto: Amir Cohen/reuters

Alle Proteste haben letztlich nicht gefruchtet – ein Kernpassus der von vielen Israelis und auch international kritisierten Justizreform wurde von der Knesset beschlossen.

Das von der rechtsreligiösen Regierung nun verabschiedete Gesetz ist Teil eines Pakets, mit dem Justizminister Yariv Levin und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Position des Obersten Gerichts in Israel schwächen wollen.

Anders als in vielen anderen westlichen Ländern hat es überdurchschnittlich viel Macht im Staat – so kann es etwa die Entscheidungen der Regierung und anderer gewählter Volksvertreter auf ihre „Angemessenheit“ prüfen. Während etwa das Bundesverfassungsgericht Gesetze auf ihre Kompatibilität mit dem Grundgesetz prüft, kann der Oberste Gerichtshof in Israel weitreichendere Entscheidungen treffen: Etwa als er im Winter dem von Netanjahu als Innen- und Gesundheitsminister berufenen Arje Deri den Amtsantritt untersagte. Deri wurde zuvor unter anderem wegen Steuerbetrugs verurteilt, versprach damals, sich aus der Politik zurückzuziehen – und schien dem Gericht so kein „angemessener“ Minister zu sein.

Eine Entscheidung, der man natürlich zustimmen möchte – und dennoch ein tiefer Eingriff in die Entscheidung einer, ob es einem gefällt oder nicht, demokratisch legitimierten Regierung. Dieser Macht etwas entgegenzusetzen, mag richtig sein.

Geschafft, wovon viele Politiker träumen

Die Befugnisse des Obersten Gerichts sind historisch gewachsen: Als Antwort auf die ebenfalls weitreichende Macht der Regierung und darauf, dass es in Israel bis heute weder eine Verfassung noch eine föderale Struktur, noch andere den Regierungsentscheidungen vorschiebbare systemische Riegel gibt. Die nun durchgesetzte Reform ist außerdem nichts Neues, keine Erfindung dieser rechtsreligiösen Regierung. Sie liegt bei Levin, Abgeordneter in Netanjahus Likud-Partei, schon seit Jahren in der Schublade.

Doch das Wie der Reform ist falsch: Das System der Gewaltenteilung müsste verbessert werden – statt einfach Macht von der Judikative zur Legislative zu verschieben. Netanjahus Regierung zeigt so, worum es ihr eigentlich geht: Nicht um die Macht des Obersten Gerichts – sondern nur um die eigene.

Netanjahu hat geschafft, wovon wohl viele Politiker träumen: sich einer legitimen Causa anzunehmen und dabei den eigenen Vorteil massiv auszubauen.

Dass Israels Regierung sich entschieden hat, die monatelangen Proteste Zehntausender Bürger vollkommen zu ignorieren, zeigt auch: Die Demonstrierenden haben allen Grund, Angst vor einer fortschreitenden Konzentration der Macht zu haben.

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Redakteurin im Auslandsressort. Meistens Westeuropa, manchmal Westasien

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