Reaktionen auf das Veto von Lisa Paus: Unberechtigte Prügel

Wegen ihrer Blockade von Lindners Plänen steckt Paus viel Kritik ein. Dabei war es höchste Zeit, dass die Grünen der FDP die Stirn bieten.

Lisa Paus schaut streng

Familienministerin Paus: Auch die Grünen müssen in der Koalition mal Härte zeigen Foto: Metodi Popow/imago

Das öffentliche Echo ist verheerend – und trotzdem hat Familienministerin Lisa Paus richtig gehandelt. Ihr Veto gegen die von Finanzminister Christian Lindner geplanten Steuerentlastungen für Unternehmen in Milliardenhöhe dokumentiert eine in der Ampelregierung von Grünen bislang nicht gezeigte Entschlossenheit.

Paus blockiert Lindners Vorhaben, weil der nicht genug Geld für die Kindergrundsicherung bereitstellen will. Dafür bezieht sie viel Prügel in den Kommentarspalten, in der Bundesregierung und hinter noch verschlossenen Türen sicher auch in der eigenen Partei.

Dabei hat die grüne Ministerin völlig recht: Wer sich wie Lindner bei etwas so Wichtigem wie mehr Geld für den Kampf gegen Kinderarmut querstellt, der sollte seine eigenen Projekte nicht reibungslos durchbringen können. Kompromissbereitschaft ist keine Einbahnstraße. Daran zu erinnern, ist mutig – und angemessen.

Das gilt auch, wenn Lindners Gesetzespläne Ende des Monats bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts verabschiedet werden sollten. Allerdings darf das nicht zum Nulltarif geschehen. Jetzt kommt es darauf an, dass die Partei – das gilt insbesondere für Vizekanzler Robert Habeck – Rückgrat zeigt und sich hinter Paus und ihre Forderung nach einer besseren finanziellen Ausstattung der Kindergrundsicherung stellt.

Mitregieren – bis zur Selbstaufgabe

Endlich hat ein grünes Kabinettsmitglied den Kurs der konstruktiven Regierungspolitik verlassen, den die Partei bis zur Selbstaufgabe verfolgt. Es wird Zeit, dass die Grünen nicht mehr nur nach dem olympischen Motto mitregieren: Dabeisein ist alles. Die Partei hat wegen ihrer bisherigen Biegsamkeit an Glaubwürdigkeit verloren, deswegen steht sie in Umfragen so viel schlechter da als in der Zeit unmittelbar nach der Regierungsübernahme.

Liberale nutzen jede Gelegenheit, sie vorzuführen und ihre Projekte öffentlich zu torpedieren. Die Töne, die Freidemokraten anschlagen, sind häufig anmaßend und für Ko­ali­ti­ons­part­ne­r:in­nen kaum erträglich. Bislang haben die Grünen, zumindest öffentlich, nach der Ohrfeige auf die rechte Wange die linke hingehalten. Eine Partei, die sich in der eigenen Regierung so wenig behaupten kann, gibt ein schlechtes Bild ab. Lisa Paus hat jetzt gezeigt: Sie können auch anders. Chapeau!

Die vielfach gehörte Kritik, die Bundesregierung habe nach der Sommerpause wegen des erneuten Zoffs einen Fehlstart hingelegt, geht in die falsche Richtung. Konstruktiver Streit ist wichtig und bringt die Welt voran; entscheidend ist die Tonalität. Es wäre schön, wenn die Grünen in der Regierung mindestens so streitlustig wären wie die Liberalen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.