Justizreform in Israel: Das Land brennt

Netanjahu hat die Kontrolle über die Ideologen in seinem Kabinett verloren. Der Abbau der Demokratie hat begonnen, verloren ist sie aber noch nicht.

Stimmte der umstrittenen Justizreform zu: Ministerpräsidentr Benjamin Netanjahu Foto: Maya Alleruzzo/AP

Wer auch immer noch daran gezweifelt hat: Seit Montag, als die israelische Regierung allen Protesten zum Trotz das erste Kernelement der Justizreform durchgepeitscht hat, dürfte allen klar sein, dass die Regierung es ernst meint mit ihrem Staatsumbau.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat einen Golem erschaffen: sein brandgefährliches Kabinett, bestehend aus bedrohlichen Ideologen und Siedlern, die wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt sind. Groß gemacht hat er diese Leute, um sich vor einer potentiellen Haftstrafe in seinem laufenden Gerichtsprozess in Sachen Korruption zu retten. Nun hat er vollends die Kontrolle über sie verloren.

Das Land brennt, die Hälfte der Israelis ist auf den Straßen, es droht eine gewaltvolle Eskalation der Lage, Un­ter­neh­me­r*in­nen ziehen ihr Geld aus Israel ab, das Verhältnis zu den USA kühlt sich immer weiter ab und mehr als Zehntausend Reservisten verweigern den Dienst – und das in Israel, dem Land, das so sehr auf die Einheit der Armee setzt.

Der einstige Taktiker und Zauberer Netanjahu, das glauben zumindest die meisten, sieht all dies – im Gegensatz zu den Ideologen in seiner Regierung, die glauben, im Auftrag Gottes zu handeln und denen weltliche Steine auf dem Weg zu ihrer Vision egal sind: Ein national-religiöses Regime und ein Groß-Israel, das auch die palästinensischen Gebiete umfasst.

Gestern hat der Abbau der Demokratie mit einem Paukenschlag begonnen. Verloren ist sie noch nicht. Noch stehen einige wichtige Säulen, auf denen sie ruht. Die beeindruckende Protestbewegung, die seit mehr als einem halben Jahr auf den Straßen ist, hat den Prozess des Staatsumbaus erheblich verlangsamt. Ob die Regierung die Zerstörung der Demokratie nach der Sommerpause der Knesset weiterführt, das hängt vor allem von Israels Zivilgesellschaft ab.

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Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.

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