Abschied von „Nafrichten“: Genug Meinung! Zeit für Recherche

Nach 79 Folgen „Nafrichten“ ist Schluss – hoffentlich folgt jetzt eine Stärkung von neugierigem, analytischen Old-School-Journalismus.

Tastatur einer Schreibmaschine.

Genug gemeint, wir brauchen mehr analytischen Old-School-Journalismus Foto: Norbert Schmidt/imago

Meine eigene Meinung interessiert mich wenig bis gar nicht. Geschweige denn die von Schreibtischen abgefeuerten Meinungen anderer. Im deutschsprachigen Raum hat sich in den letzten Jahren etwas verschoben: Weil alle Diskurs, aka Blabla, machen, werden in vielen Medien investigative Recherchen, Reportagen und Analysen (unbedingt gebraucht) mit bloßen Meinungsstücken (als Zusatz berechtigt) gleichgesetzt. Das ist falsch.

Ein Fakt ist ein Fakt, eine Meinung dazu eben nur eine Meinung. Je­de*r kann sagen, was er*­sie will, nur sollte man bei der Relevanz meinungsgetriebener Aussagen nicht übertreiben. Was ich als Individuum auf sozialen Medien oder in einer Kolumne in die Welt posaune ist nicht so wichtig. Im besten Fall lustig, inspirierend, provokativ. Weltbewegend? Weiß nicht.

Die minutiöse Rekonstruktion eines Skandals oder eines strukturellen Missstands brauchen wir als Gesellschaft unbedingt, egal ob es sich um Maskendeals, Polizeigewalt oder tödliche EU-Außengrenzen handelt. Auf den Leitartikel oder den Kommentar dazu kann ich zur Not verzichten. Schaden tut er aber selten.

Als mich eine Kollegin aus der taz-Redaktion neulich angerufen und verkündet hat, dass die Zahl der Ko­lum­nis­t*in­nen reduziert werde, habe ich mich als Journalist gefreut. Es ist eine mutige und richtige Entscheidung, eine Stärkung von analytischem, neugierigem, recherchegeleitetem Journalismus, der auch unterhaltsam sein kann. Kolumnen sind toll, mehr Old-School-Journalismus ist noch besser. Deswegen räume ich meinen Kolumnenplatz gerne.

Genossen, Leute zur Weißglut zu treiben

Natürlich haben mir die „Nafrichten“ viel Spaß bereitet, viel Ärger gebracht, Leute waren höchstbeleidigt, manchmal sogar außer sich, wenn sie mir wütende Nachrichten geschickt haben. Ich bin auf so mancher Nemesis-Listen gelandet: von AfD-Springer-Almans, von Erika Steinbach, Bismarck-Fans, Harry von der Polizei, Hun­de­be­sit­ze­r*in­nen, basic Dudes, Mama-Blogger*innen, von ausgewählten taz-Redakteur*innen … Ja, ich habe es als Dickkopf manchmal sogar genossen, Leute zur Weißglut zu treiben.

Ich würde aber lügen, würde ich behaupten, dass mich die emotionalen Reaktionen auf polemische Kolumnen kalt gelassen haben, während ich bei einigen meiner monatelangen, aufwändigen Recherchen nachhelfen musste, damit die Le­se­r*in­nen­schaft überhaupt anbeißt. Ich hoffe, dass der Wissens- und Aufklärungsdurst mit der Nachfrage nach Polemik irgendwann gleichziehen kann.

Nach drei Jahren und (wenn ich richtig gezählt habe) 79 Episoden ist das also der letzte „Nafrichten“-Text. 79 ist eine schöne Zahl, immer wenn ich in einem spontanen Gespräch eine random, nicht zu hohe und auch nicht zu niedrige Zahl nennen möchte: Es ist die 79. Ich werde der guten alten taz inshallah als Autor weiter erhalten bleiben (bevor sich einige zu früh freuen). Denn in Nafristan sagt man zum Abschied: In Frieden, man sieht sich.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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