Die Wahrheit: Der prächtige Wäscheberg

Die wahre und abgeschlossene Kurzgeschichte im alles andere als Schonwaschgang.

Bunte, abstrakte Illustration mit Menschen mit einer Kamera, mit Herzen und mit einer Krone in der Hand, darunter ein Wirrwarr unter anderem aus Knöpfen

Illustration: Ulrike Haseloff

Der große Wäscheberg lag gemütlich schnarchend in irgendeiner Ecke herum und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein. Manchmal bemerkte er stolz im Halbschlaf – wenn mal wieder eine bis zwei oder drei Socken oder anderes Gedöns auf ihn geworfen wurden –, dass er beachtlich wuchs und standesgemäß ordentlich muffelte.

An seine Kindertage konnte er sich nur schemenhaft erinnern. Wenn er wirklich angestrengt zurückdachte, dann war ihm, als wären möglicherweise eine khakifarbene Shorts und ein geblümtes T-Shirt sein Anfang gewesen, doch das hätte er niemals geschworen, es war schon so lange her … Er war halt ein liebenswerter Wäscheberg, der niemandem etwas zuleide tat und daher auch noch nie Ungemach erfahren hatte. Eine gestreifte lange Unterhose hatte ihm zwar, als er heranwuchs, mit diebischer Freude erzählt, auch sein Leben werde nicht für immer so friedlich verlaufen. Sie, die gestreifte lange Unterhose, hätte nämlich die Welt da draußen schon gesehen, und zwar alles!

Am schlimmsten aber wäre so eine Art Vorhölle, nämlich die sogenannte Waschmaschine, die in ihrem Grauen nur noch von der echten Hölle, dem Wäschetrockner, übertroffen würde. Und dann ginge dasselbe von vorne los. Doch da die gestreifte lange Unterhose den Wäscheberg nie wieder verlassen hatte, maß der Wäscheberg ihren fantastischen Märchen keine weitere Bedeutung zu, und schlummerte milde lächelnd weiter vor sich hin. So hätte es für den Rest seines Lebens gerne weitergehen dürfen, doch das Schicksal hatte etwas anderes mit ihm vor …

Ein schrilles Schrieken und ein Lichtschein rissen ihn aus seinem Nickerchen. Der Wäsche­berg kannte dieses Geräusch und das Licht von früher, doch sie waren ihm noch nie unangenehmer als heute vorgekommen. Normalerweise wurde bei einer solchen Gelegenheit, die in seiner Zeitrechnung nur alle Jubeljahre vorkam, nur eine kleine obere Schicht von ihm abgetragen, die dann aber irgendwann völlig durch den Wind wieder zurückkam – zu entsetzt, um über die Erlebnisse zu berichten … Doch diesmal war es anders! Wie ein Feuerwerk zuckten die Blitzlichter um ihn herum, Menschen umkreisten ihn, er hörte hysterische Stimmen, und hier und da kam es ihm vor, als vernehme er joviales, deppertes Gelächter. Er wusste wirklich nicht, wie ihm geschah, er wurde vermessen und offensichtlich fotografiert. Anscheinend wurden hektische Telefonate geführt, und beinahe schien es ihm, als würde sogar telegrafiert! Verwirrt befragte er Mütze, Seidenschnupftuch, Piratenhemd, Stirnband, Unterhemd, Halstuch und Speckige Knickerbocker, was da vor sich ginge. Doch die braven Gesellen konnten dazu keine ermittlungsrelevanten Erkenntnisse liefern, hatten sie doch seit der Entstehung des Wäschebergs die angebliche Welt da draußen nie wieder erblickt.

Rumpeln und pumpeln

Dem Wäscheberg wurde mulmig. Doch er hatte keine Zeit, länger über sein seltsames Geschick nachzudenken, denn schon wurde er in all seiner Pracht von irgendetwas aufgehoben und in einen großen Kasten gesteckt, von dem der vergilbte Briefumschlag, der nur versehentlich in dem friedlichen Schmutzwäscheberg gelandet war, behauptete, es sei ein Panzerwagen.

Am schlimmsten aber wäre so eine Art Vorhölle, nämlich die sogenannte Waschmaschine

Es rumpelte und pumpelte, die Zeit schien sich ewig in die Länge zu ziehen, und der Wäsche­berg war gerade dabei, friedlich wieder einzuschlafen, als er erneut ins Rampenlicht gezogen wurde – greller als je zuvor! Er versuchte, sich in irgendeinem Winkel zu verstecken, doch die Schmutzsocken und Schwimmschlappen waren vor Angst wie paralysiert. Außerdem gab es nirgendwo einen Winkel, er war einer gierigen Pressemeute einfach schutzlos ausgeliefert.

Fortan war sein Leben – ganz wie es die gestreifte lange Unterhose ihm einst geweissagt hatte – nur noch von Stress und Arbeit bestimmt. Wie die Mütze und das Stirnband herausgefunden haben wollten, solle er fortan als Body-Double für irgendeinen Hollywood-Schauspieler eingesetzt werden, wenn es um öffentliche Auftritte wie beispielsweise Gerichtsverhandlungen ging. Die verfilzten Püschohrenschützer, die ihren ersten und letzten Waschgang von anno dazumal niemals überwunden hatten, konnten leider den Namen des Stars nicht verstehen, aber sie hatten vernommen, dass die Ähnlichkeit zwischen dem Star und dem Wäscheberg vor allem optisch frappierend sein solle.

Nun fühlte sich der Wäscheberg doch irgendwie geschmeichelt. Sicher würden die Menschen nicht so einen Aufwand betreiben, wenn es nur um irgendeinen hergelaufenen Hollywoodstar ginge. Das musste ein prächtiger Schauspieler sein! Fortan erledigte der Schmutzwäscheberg seine Double-Aufgabe mit Stolz. Sogar für Waschmittelreklame wurde er eingesetzt – eine Demütigung, die er mit souveränem Lächeln und einem leichten Anflug von Arroganz professionell wegsteckte.

Und wenn es Abend wurde in Hollywood, dann erzählte er all den tränennassen Seiden-Taschentüchern, verschwitzten Hemden, muffelnden Stiefelsocken und auch all den anderen Muffel-Groupies, die sich fortan begeistert um ihn scharten, wie herrlich doch das Leben als Hollywoodstardouble war. Einzig die gestreifte lange Unterhose runzelte zuweilen kritisch ihren Gummizug und dachte: „Was für ein Depp …“

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.