Missbrauch in der katholischen Kirche: Zu wenige Durchsuchungen

Laut einer Umfrage gab es in den deutschen Bistümern bis Anfang 2023 keine Durchsuchungen im Zusammenhang mit Missbrauch. War das zu zurückhaltend?

Die Doppelspitze des Kölner Dom ragt in den Abendhimmel

Auch in Köln ist die Staatsanwalt im Zusammenhang mit Missbrauch oft untätig geblieben Foto: Christoph Hardt/picture alliance

KÖLN epd/taz | Die Zentralen der 27 katholischen Bistümer in Deutschland sind laut einer Umfrage des WDR unter den zuständigen Staatsanwaltschaften im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen in den vergangenen Jahren nicht durchsucht worden. Eine erste staatsanwaltliche Durchsuchung in München erfolgte danach erst Anfang 2023. Wie der WDR am Montag in Köln berichtete, sei bis zu diesem Zeitpunkt seit der Enthüllung von Missbrauchsfällen durch katholische Kleriker 2010 keine der Ermittlungsbehörden in dieser Hinsicht aktiv geworden.

Der Mainzer Strafrechtsprofessor Jörg Scheinfeld kritisierte dies. Die Staatsanwaltschaften hätten die Bistümer durchsuchen lassen sollen, sagte er dem WDR. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass Bischöfe freiwillig Akten herausgäben, mit denen sie sich möglicherweise selbst belasten würden.

Im Jahr 2018 war die sogenannte MHG-Studie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von Wissenschaftlern der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen veröffentlicht worden. Die Forscher waren Hinweisen auf Missbrauchsfälle zwischen 1946 und 2014 in allen katholischen Diözesen in Deutschland nachgegangen. Unter der Annahme eines Dunkelfelds beschäftigten sich die Wissenschaftler mit 1.670 beschuldigten Klerikern, die 3.677 Kinder und Jugendliche missbraucht haben sollen.

Rein juristisch keine Fehler

Aufgrund dieser Zahlen erstatten sechs Strafrechtsprofessoren Anzeige gegen Unbekannt, um die Staatsanwaltschaften zum Handeln zu bewegen. Zu ihnen gehörte der Strafrechtler Rolf Herzberg aus Wuppertal. Im WDR verwies er auf den Fall eines inzwischen verurteilten Pfarrers des Erzbistums Köln. Die Staatsanwaltschaft Köln hätte weiter ermitteln können, auch nachdem zwei betroffene Nichten des Geistlichen ihre Anzeige zurückgezogen hatten.

Rein juristisch sei vielleicht kein Fehler gemacht worden, sagte Herzberg. Doch dass die Zeuginnen nicht aussagen wollten, habe nicht die „handfesten Tatsachen“ beseitigt. Der Pfarrer wurde schließlich 2022 zu zwölf Jahren Haft wegen des jahrzehntelangen Missbrauchs von mindestens 15 Mädchen verurteilt.

Den Vorwurf der Zurückhaltung der Ermittler bei möglichen kirchlichen Tätern wies im WDR der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) zurück. Die Staatsanwälte gingen bei jedem Anfangsverdacht gleich vor. Das Legalitätsprinzip, „also die Verpflichtung, bei Verdacht von Straftaten einzuschreiten, besteht für alle, unabhängig von Geldbeutel oder Kardinalshut“, sagte er am Montag dem WDR.

Er könne für frühere Zeiten allerdings nicht ausschließen, dass Staatsanwälte im Umgang mit Klerikern vielleicht anders umgegangen seien als mit anderen Tätern, räumte Limbach ein. „Wichtig ist, dass wir seit Aufdecken der Riesenskandalserie innerhalb der Kirchen wirklich konsequent bei jedem Verdacht vorgehen.“ Allerdings seien die Mittel der Justiz begrenzt, betonte er. Nach weiteren Studien, teilweise im Auftrag der Bistümer, habe sich gezeigt, dass viele der geschilderten Fälle bereits verjährt oder die Täter tot sind. Dies betreffe etwa auch die jüngst bekannt gewordenen Vorwürfe gegen den ersten Ruhrbischof Franz Hengsbach.

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