Neue Regeln für Asylsuchende geplant: Das gleicht Zwangsarbeit

Die Lage für Flüchtlinge in Deutschland wird prekärer. Mit Härte gegen Migranten soll Rechten einhalt geboten werden. Das wird nicht funktionieren.

Zwei leere Betten mit Müllsack und Bettwäsche in einer Notunterkunft in Berlin

Betten in einer Notunterkunft für Geflüchtete in Berlin Foto: imago

Die Verrohung der Debatte hat ein neues Niveau erreicht. Deutschland hat das Konzept Arbeitslager zur Perfektion gebracht, und nun diskutiert man hierzulande, unliebsame Menschen Zwangsarbeit leisten zu lassen.

Die Bundesländer haben auf der Ministerpräsidentenkonferenz darüber beraten, ob man eine Arbeitspflicht für Asylsuchende einführen soll. Die SPD-geführten Länder wollen das mittragen. Flüchtlinge sollen dazu verdonnert werden können, gemeinnützige Arbeit zu leisten – offenbar sogar in Krankenhäusern oder auf dem Bau. Denn aktuell ist es Asylbewerbern neun Monate lang verboten, eine Arbeit aufzunehmen. Das muss sich ändern. Aber eine Pflicht zur unbezahlten Arbeit ist mit den Prinzipien eines liberalen Rechtsstaats nicht zu vereinbaren.

Die SPD mischt mit

Im Deutschlandfunk darauf angesprochen, ob Zwangsarbeit sozialdemokratischen Werten entspreche, sagte die Ministerpräsidentin des Saarlands Anke Rehlinger (SPD), ohne eine Sekunde zu zögern: „es kommt auf die Ausgestaltung an“. Offenbar hat sie kein Problem mit Zwangsarbeit. Beziehern von ALG II sollte diese Einstellung von SPD-Politiker:innen bekannt vorkommen.

Diese neue Härte gegen Flüchtlinge soll auch den Aufstieg der AfD bremsen. Gerade die Hessen-Wahl habe gezeigt, dass die Wähler mehr Strenge wollten. Aus dem vergangenen Sonntag die Lektion zu ziehen, man müsse gegen Migration vorgehen, ist zynisch und menschenverachtend – aber vor allem ist es falsch.

Nancy Faeser hat in Hessen als Spitzenkandidatin genau die Geisteshaltung verfochten, die jetzt im Raum steht: mehr Druck auf Migrant:innen, Beschränkung der Zuwanderungszahlen, mehr Abschiebungen. Das war Kalkül aus dem Lehrbuch von Sahra Wagenknecht, um konservative Wäh­le­r:in­nen zurückzugewinnen. Doch mit diesen Positionen ist Faeser krachend gescheitert. Die SPD verlor ein Viertel ihrer Wähleranteile von 2019. Stattdessen gewannen die AfD und die CDU.

Die Rechten profitieren

Das ergibt Sinn: Warum sollen Wähler:innen, die für möglichst schnelle Abschiebungen sind, politische Akteure wählen, die bei dem Thema mal Hü und mal Hott rufen. Es gibt doch bereits Politiker:innen, die ein strenges Migrationsregime schon immer im Programm hatten. Es zeigt sich, dass wenn linke oder liberale Po­li­ti­ke­r:in­nen rechte Themen übernehmen, gewinnen letztlich nur die Rechten.

Die Menschen in diesem Land stehen schon jetzt vor vielen Problemen, die ihren Alltag stark belasten und Angst vor der Zukunft machen. Die Mieten werden höher und höher, die Schlangen vor den Tafel werden immer länger. Selbst Eigenheimbesitzer müssen fürchten, dass ihr einziger Puffer vor den Preissteigerungen durch die Kosten einer unsinnig auf Einzelne abgewälzten ökologischen Transformation zunichtegemacht wird.

Und es droht noch mehr wirtschaftliche Unsicherheit. Der IWF sagt voraus, dass die Wirtschaft in Deutschland schrumpfen wird. In fast keinem anderen westlichen Land passiert Vergleichbares. Das liegt auch daran, dass andere Länder das neoliberale Mantra teilweise zurückgelassen haben. In den USA, in Frankreich, sogar in Großbritannien, wird die Industriepolitik wiederentdeckt.

Ein sanfter Keynsianismus schwebt aus dem Grab empor, öffentliche Investitionen stehen endlich wieder auf dem Programm. Aber unsere Bundesregierung steckt mental noch in den dunkelsten Zeiten der 2010er Jahre fest. Die unsägliche Schuldenbremse bringt sogar liberale Ökonomen wie Adam Tooze zur Verzweiflung ob der Sturheit und Dummheit dieser Regierung.

Zur Dummheit gesellt sich nun auch noch die Grausamkeit. Statt irgendeine Maßnahme zu unternehmen, die den Menschen ihr Leben erleichtern würde, hackt die Politik lieber auf schutzbedürftigen Minderheiten herum. Statt materielle Bedigungen zu verbessern, führt die Regierung einen Kulturkampf auf dem Rücken der Schwächsten. Um von ihrem eigenen Versagen abzulenken, lassen Politiker Menschen Zwangsarbeit leisten. Das darf man ihnen nicht durchgehen lassen.

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Redakteur taz2, zuständig für Medienthemen. Interessiert sich auch für Arbeitskämpfe und sonstiges linkes Gedöns, aber auch queere Themen und andere Aspekte liederlichen Lebenswandels. Vor der taz einige Jahre Redakteur im Feuilleton der Zeit und als freier Journalist in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten unterwegs gewesen. Ursprünglich nicht mal aus Deutschland, aber trotzdem irgendwann in Berlin gestrandet. Mittlerweile akzentfrei.

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