Umweltministerin reagiert auf Viehrisse: Lemkes „Schnellabschuss“ von Wölfen

Die grüne Umweltministerin Lemke will, dass die Behörden die Tötung von Wölfen nach Rissen von Nutztieren leichter genehmigen. Vielen Bauern reicht das nicht.

Ist das der böse Wolf? Ein „Beutegreifer“ ist in eine Fotofalle getappt Foto: Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt/picture alliance

BERLIN taz | „Wenn Wölfe meine Rinder angreifen, dann würde ich wohl aufhören, überhaupt Tiere zu halten“, sagt Ottmar Ilchmann. Dabei hält der Bauer aus Ostfriesland sein Vieh aus Natur- und Tierschutzsicht vorbildlich: Die Rinder stehen im Sommer auf der Weide und nicht nur im Stall. Sie erhalten das besonders artenreiche Grünland. Ilchmann, niedersächsischer Landesvorsitzender der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), muss damit rechnen, dass die Wölfe auch bald zu ihm kommen und Vieh reißen. Deshalb fordert er, dass die Ausbreitung der Raubtiere in Deutschland gebremst wird.

Auf solche Forderungen hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke am Donnerstag reagiert. Sie schlug den Ländern vor, Wölfe nach Rissen schneller zu schießen. Die Grünen-Politikerin empfahl, „dass 21 Tage lang auf einen Wolf geschossen werden darf, der sich im Umkreis von 1.000 Metern von der Rissstelle aufhält.“ Anders als bisher sollen die Ämter für eine Abschussgenehmigung nicht mehr das Ergebnis einer DNA-Analyse abwarten, wonach der „Täter“ ein Wolf war. Voraussetzung soll laut Lemke aber weiterhin sein, dass die angegriffenen Nutztiere durch „zumutbare“ Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune bestimmter Höhe geschützt waren. Außerdem müssten Wölfe in der Region „vermehrt“ Weidetiere gerissen haben. Lemke hatte ihre Pressekonferenz mehrfach verschoben, nachdem die Opposition und die FDP das Thema in den Landtagswahlkämpfen in Bayern und Hessen gegen die Grünen genutzt hatten.

150 Jahre nach Ausrottung der Tierart hierzulande sind die Wölfe im Jahr 2000 dauerhaft nach Deutschland zurückgekehrt. In den zwölf Monaten bis Ende April 2023 wurden laut Bundesamt für Naturschutz 184 Wolfsrudel nachgewiesen. Geht man von im Schnitt 10 Tieren pro Rudel und von diversen Wolfspaaren und Einzeltieren aus, wären das rund 2.000 Individuen. Auch die Zahl der bei Wolfsangriffen getöteten, verletzten oder vermissten Nutztiere erreichte laut Behörden 2022 einen neuen Rekord: 4.366. Viele Bauern sehen die vergleichsweise tier- und naturfreundliche Viehhaltung auf der Weide durch Wölfe zusätzlich gefährdet. Zudem gibt es Sorgen, dass Wölfe Menschen angreifen könnten. Naturschützer argumentieren, der Wolf habe bis zu seiner Vertreibung zum Ökosystem in Deutschland gehört. Zudem sei er der „Gesundheitspolizist“ der Natur, er reiße zum Beispiel kranke Rehe und verhindere so, dass sie andere anstecken.

Bislang hätten die Behörden nach Rissen oft so lange auf die Erbgutanalyse gewartet, bis der Wolf „schon über alle Berge“ gewesen sei, sagte Lemke nun. Dabei hätten Studien gezeigt, „dass es ein Wolf nach erfolgreichen Übergriffen häufig an derselben Herde erneut versucht.“ Die vorgeschlagene Regelung mache „es deutlich wahrscheinlicher, den schadenverursachenden Wolf zu treffen“. Der solle dann durch eine spätere DNA-Analyse bestätigt werden. Die Länder könnten diesen Vorschlag bei der Umweltministerkonferenz Ende November beschließen und dann in Verordnungen umsetzen, sodass er bereits zur kommenden Weidesaison gelten würde. Diese „unkomplizierten Schnellabschüsse“ seien leichter zu ermöglichen als Gesetzesänderungen.

Die Behörden sollten nicht mehr auf das DNA-Ergebnis des „Täters“ warten, forderte Lemke

Lemkes Vorschlag bleibt hinter dem zurück, was zum Beispiel der Deutsche Bauernverband und die FDP fordern. Sie wollen, dass die Bundesregierung der EU-Kommission den „günstigen Erhaltungszustand“ des Wolfs meldet. Dann könnten ihrer Meinung nach regionale Obergrenzen für die Tierart festgelegt werden und alle Wölfe darüber auch ohne vorherige Risse getötet werden.

Deutschlands größte Umweltschutzorganisation, der Naturschutzbund, dagegen sieht „einige sinnvolle Ansätze“ in Lemkes Vorschlag. Wolfsreferentin Marie Neuwald lobte, „dass Abschüsse weiterhin nur in Frage kommen, wenn zuvor Herdenschutz überwunden wurde“.

Ilchmanns AbL begrüßte zwar, dass jetzt bürokratische Hürden für den Abschuss von „Schadwölfen“ wegfallen sollen. Aber angesichts der ständig wachsenden Wolfszahlen vermisste sie eine „Perspektive für die Zukunft“. „Ein aktives Bestandsmanagement des Wolfes auch ohne konkretes Rissereignis darf für stark belastete Regionen kein Tabu sein!“, so die AbL.

Wolfssichere Zäune zu bauen, ist für Ilchmann keine Option, selbst wenn der Staat ihm nicht nur wie bisher das Material, sondern auch die Arbeitszeit bezahlen würde. Denn die unteren Elektrodrähte müssten ständig freigehalten werden von Grashalmen zum Beispiel, damit der Strom fließt und die Raubtiere tatsächlich abschreckt. „Ich habe keine Zeit dazu und auch keine Leute, die das machen könnten“, sagt Ilchmann. „Außerdem überwinden immer mehr Wölfe angeblich wolfssichere Zäune.“

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