Doku „Smoke Sauna Sisterhood“: Komm, wir schwitzen zusammen

Anna Hints begleitet in der Doku „Smoke Sauna Sisterhood“ eine weibliche Saunagemeinschaft in Estland. Über den Gegenentwurf zur patriarchalen Welt.

Nahaufnahme von zwei nackten Frauen in der Sauna

Geschützter Raum: „Smoke Sauna Sisterhood“ Foto: Neue Visionen

Wald statt Weltlärm – in „Smoke Sauna Sisterhood“ von Anna Hints sehen wir Frauen umgeben von Natur. Rund um eine Hütte, weit weg von der Hektik der Großstadt hacken sie Holz, entfachen Feuer und bündeln Birkenzweige. Alles in konzentrierter Vorbereitung auf ihr Ritual: das gemeinsame Schwitzen in der Rauchsauna.

Im geborgenen Raum der Sauna erzählen sich die Frauen zu jeder Jahreszeit, mal mit flüsternden Stimmen, mal mit herzhaftem Lachen, von ersten Liebschaften. Sie philosophieren über Dickpics: „Ich würde doch nicht irgendwem auf Tinder ein Bild von meiner Muschi schicken.“ Doch vor allem auch qualvolle Erlebnisse wie sexuelle Übergriffe verhandeln sie.

Im Südosten Estlands und Lettlands wird die Rauch­sauna – eine jahrtausendealte baltische Tradition, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört – bis heute praktiziert. Das Besondere daran: Beim Vorheizen sammelt sich im Saunaraum Rauch, der nicht abziehen kann, da ein Schornstein fehlt. Infolgedessen verfärben sich die Wände und Saunabänke schwarz. Erst wenn der Rauch durch Entlüftungsklappen entwichen ist, wird die Sauna genutzt.

Anna Hints erschafft durch das auf die Sauna begrenzte Setting eine Dichotomie zwischen zwei Welten. Außerhalb der Sauna erfahren die porträtierten Frauen häusliche oder sexuelle Gewalt und sollen strengen Schönheitsidealen entsprechen. In der Sauna entsteht eine utopische Gemeinschaft von Frauen, als Gegenentwurf zu einer patriarchalen Welt. In fast nur nahen Einstellungen – für einen Dokumentarfilm durchaus ungewöhnlich – zeigt Hints ausschließlich diese sichere Welt, das Privatleben der Frauen in der anderen Welt klammert sie aus.

„Smoke Sauna Sisterhood“. Regie: Anna Hints. Estland/Frankreich/Island 2023, 89 Min.

Wie ein Rembrandt-Gemälde

Oft erschafft der Film zudem Bilder der Frauenkörper, die an monochromatische Rembrandt-Gemälde erinnern. Während eine Protagonistin erzählt, dass sie es als höchstes Lob auffasste, als ihre Mutter sagte, wie dünn sie geworden sei, sehen wir ihre auf der Saunabank liegenden Beine. Der einzige Farbton im dunklen Bild ist das Orange des Ofens, das in verschiedenen Nuancen auf den Beinen der Frau reflektiert.

Ihre Konturen lösen sich in grobkörniger Dunkelheit auf – als ob sie im Rauch verschwinden. Ants Tammiks Kamera fragmentiert die voller Hitze glühenden Körper durch Close-ups behutsam, anhand von Schatten und Abstraktion fern von jeglicher sexueller Objektifizierung.

Apropos Abstraktion: Immer wieder zeigt Hints Aufnahmen des in der Luft tanzenden Rauchs. Manchmal entsteht daraus die animierte Gestalt einer alten Frau, die von damaligen Traditionen berichtet. Für Es­t*in­nen sei die Rauchsauna ein heiliger Ort zum Reinwaschen. Auch Kinder wurden hier geboren und Tote gewaschen.

„Immersion“ lautet ein Leitsatz im Kino, der wohl auch für diese Doku gilt: das Eintauchen des Publikums in den Film mit möglichst vielen Sinnen durch das Vergessen der Zeit und des Raums der echten Welt. Hints erreicht mit ihren nahen Bildern und der dunklen kinoähnlichen Sauna genau das: Bilder der intensiven Entspannung, die den Zuschauenden fast selbst die Wärme des Ofens spüren lässt.

Mit „Smoke Sauna Sisterhood“ erkundet Hints, welch heilendes Potenzial weibliche Gemeinschaft haben kann, als Kammerspiel auf sechs Quadratmetern. Der von ihr – auch durch die Gespräche – konstruierte Dualismus zwischen der Sauna und der anderen Welt kritisiert eine Gesellschaft, die auf patriarchalen Strukturen fußt und Geschlechternormen diktiert. Trotz des begrenzten Orts der Handlung entfaltet sich durch die Inszenierung der Saunagemeinschaft und der zärtlichen Bilder eine fesselnde Erzählung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.