Söder und die Wildtiere: 1:0 für den Fischotter

Pünktlich zum Wahlkampf hatte Markus Söder zur Jagd auf den Fischotter geblasen. Doch jetzt hat ihn der Verwaltungsgerichtshof erstmal gestoppt.

Fischotter im Schnee

Ein Fischotter (Lutra Lutra) im Bayerischen Wald Foto: Dirk Rüter/Zoonar/imago

MÜNCHEN taz | Es soll ja böse Zungen geben, die behaupten, Markus Söder esse nichts anderes als Fleisch. Das stimmt definitiv nicht. Bayerns Ministerpräsident isst beispielsweise auch gerne mal Fisch. Besonders angetan hat es ihm der Karpfen. Franken, und da kommt der CSUler bekanntlich her, gilt als eine der deutschen Karpfen-Hochburgen. Die Vorliebe für Karpfen allerdings hat Söder mit dem Fischotter gemein. Und da beginnt das Problem.

Da nämlich der Otter zur Selbstbedienung neigt und in den letzten Jahren von bayerischen Karpfenzüchtern zunehmend als Ärgernis betrachtet wurde, dräute ihm dasselbe Schicksal wie dem Wolf: Beide – wie natürlich auch der bisweilen als Wandergast anzutreffende Braunbär – hätten in Bayern nichts zu suchen, befand die hiesige Staatsregierung und beschloss im April die erleichterte Entnahme, vulgo den erleichterten Abschuss der Tiere.

Wölfe und Fischotter seien nicht mehr bedroht, Weidetierhalter und Teichwirte jedoch schon, so die Logik der Söder-Regierung, die flugs die Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung und die jagdrechtlichen Vorschriften ändern ließ. Dadurch, so Söders Agrarministerin Michaela Kaniber, sei es nun möglich, „zur Abwendung ernster fischwirtschaftlicher Schäden“ ganzjährig Fischotter zu entnehmen. „Unsere Teichwirte brauchen jetzt eine Perspektive“, argumentierte sie im Frühjahr. „Denn die Betriebe sind zermürbt. Die Schadensmeldungen explodieren, sie haben sich seit 2016 nahezu verzehnfacht.“ Immer mehr Teichwirte hätten deshalb bereits aufgegeben.

Nun begab es sich zufällig, dass zu dieser Zeit der Landtagswahlkampf anlief in Bayern, und Söder mag in den Karpfenzüchtern wie in den dem Wolf wenig zugetanen Landwirten eine wichtige Wählerklientel gesehen haben. Aber dies freilich ist eine reine Unterstellung.

Gericht: Obergrenze der Tötungen besonders bedeutsam

Umso interessanter in jedem Fall, dass auch der Fischotter, der im allgemeinen weit weniger auf publicy-trächtige Selbstinszenierung bedacht ist, seine Fans um sich scharte: In nur einer Woche unterzeichneten zigtausende Menschen im Internet einen Appell gegen die Söder-Kaniber’sche Verordnung. „Wir merken, dass das Thema die Menschen bewegt“ sagte der WWF-Wildtierexperte Moritz Klose. „Fischotter gehören zu Bayern wie Alpenpanorama und Lederhosen“, behauptete er und bemühte eine in diesem Zusammenhang recht gewagte Metapher: „Söder hat wohl den Schuss nicht gehört.“

Am Ende waren es aber nicht die Unterschriften, sondern eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Jagd auf die Otter – zumindest vorläufig – stoppte. Am Donnerstag gab das Gericht einem Eilantrag von Deutscher Umwelthilfe und Bund Naturschutz statt und befand: Die beiden Verordnungen sind voraussichtlich rechtswidrig. Das Ergebnis, so der Gerichtshof: „Fischotter dürfen damit vorerst auch nicht ausnahmsweise getötet werden.“ Die Entscheidung in der Hauptsache steht allerdings noch aus.

Die Regierung könne nicht einfach die Anzahl der zulässigen Tötungen der Landesanstalt für Landwirtschaft übertragen, argumentierte der Gerichtshof in seinem Beschluss. Das verstoße gegen das Bundesnaturschutzgesetz wie auch gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen. Die Höchstzahl der Tötungen sei für den Artenschutz so bedeutsam, dass sie vom Verordnungsgeber selbst geregelt werden müsse. Außerdem sei eine der geänderten Verordnungen schon allein aus formellen Gründen nichtig.

Lutra lutra war fast ausgerottet

Die Antragssteller sehen sich in ihrer Auffassung bestätigt und feiern den vorläufigen Sieg des Fischotters: „Der Beschluss zeigt deutlich: Die Konflikte lassen sich mit einer handwerklich und juristisch fragwürdigen Abschuss-Verordnung nicht lösen“, kommentiert Bund-Naturschutz-Chef Richard Mergner, „das vertieft nur die Gräben zwischen Naturschutz und Teichwirtschaft und setzt die Betriebe einer großen Rechtsunsicherheit aus.“ Mergner plädiert für intelligentere Instrumentarien zum Schutz der Teichwirtschaft.

Wie wichtig der Schutz gefährdeter Arten ist und wie wirkungsvoll er sein kann, dafür ist nicht zuletzt der Fischotter eines der besten Beispiele: Die einst in ganz Deutschland verbreitete Art, von Kennern lutra lutra genannt, war lange Zeit als Fastenspeise und Felllieferant begehrt sowie wegen ihrer Vorliebe für heimischen Fisch verfolgt. Die Folge: Bis Ende der fünfziger Jahre war der Fischotter in Bayern praktisch ausgerottet.

Nur im Bayerischen Wald entlang der Grenze zu Tschechien überlebten einige Restbestände. Dank konsequenter Schutzmaßnahmen – seit 1968 ist die Otterjagd verboten – konnten sich die Tiere von dort aus in der östlichen Hälfte Bayerns wieder ausbreiten. Die Art gilt noch als gefährdet, hat jedoch mittlerweile eine stabile Population etabliert. Bis zum finalen Urteil des Gerichtshofs bleibt nur zu hoffen, dass zu Weihnachten weder Söder noch Otter auf ihren Karpfen verzichten müssen.

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