Antworten zur Kindergrundsicherung: Noch weniger Geld für die Ärmsten?

Noch immer ist die lang geplante Kindergrundsicherung keine beschlossene Sache. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum aktuellen Stand im Überblick.

Ein Paar Kinderschuhe, ein Paar Männerschuhe und ein Spielzeugpferd liegen auf dem Boden

Schuhe, Spielzeug, Schabernack: Kinder kosten Geld, doch einige sollen bald noch weniger bekommen als bisher Foto: nika/plainpicture

Was ist die Kindergrundsicherung eigentlich?

Die Idee dafür war ursprünglich, bereits bestehende Sozialleistungen zu bündeln: Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Die müssen bislang an ganz unterschiedlichen Stellen beantragt werden. Oft fehlt das Wissen über die Berechtigung.

Es wird geschätzt, dass nur jedes dritte berechtigte Kind Leistungen aus dem Kinderzuschlag erhält. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, mit der Bündelung der Leistungen im ersten Jahr nach der Einführung 47 Prozent der Berechtigten zu erreichen, in folgenden Jahren soll die Inanspruchnahme weiter steigen.

Ab wann tritt die Kindergrundsicherung in Kraft?

Ursprünglich hat die Regierung den 1. Januar 2025 angedacht. Nachdem auch Sozialverbände das Ziel für zu ambitioniert hielten, bremste letztlich die Bundesagentur für Arbeit (BA): dort sollen die bisherigen Familienkassen zu einem „Familienservice“ ausgebaut werden und für die Abwicklung zuständig sein. Sie hielt den Start zum 1. Januar aus finanziellen und organisatorischen Gründen für nicht machbar. Das Familienministerium gab im Dezember bekannt, dass deshalb eine stufenweise Einführung ab Mitte 2025 geprüft werde.

Wie viel Geld gibt es pro Kind?

Das kommt auf das Einkommen der Eltern und auf das Alter der Kinder an. Es soll einen „Kindergarantiebetrag“ von etwa 250 Euro geben, das heutige Kindergeld, das alle Eltern beziehen werden. Hinzu kommen alle bisherigen Leistungen, die wie jetzt auch nicht für alle gelten und die im „Kinderzusatzbetrag“ gebündelt werden sollen. Der Höchstsatz für 0- bis 5-Jährige beträgt 530 Euro, 555 Euro für 6- bis 13-Jährige und 636 Euro für 14- bis 17-Jährige.

Was müssen (arme) Eltern machen, um Geld aus der Kindergrundsicherung zu bekommen?

Eigentlich sollten Familien informiert werden, inwiefern sie leistungsberechtigt sind. Regelmäßig soll der Anspruch anhand von Steuerdaten überprüft werden, so die Idee. Allerdings sind jetzt nur noch automatisierte Verfahren beim Kinderzusatzbetrag und im Kindergrundsicherungs-Check vorgesehen.

Ist das komplizierter oder einfacher als vorher?

Das Versprechen der Bundesregierung war, dass es einfacher wird. Das ist noch nicht absehbar, es könnte ähnlich kompliziert werden wie zuvor.

„Der Antragsaufwand wird nicht minimiert – sondern im Gegenteil gegebenenfalls sogar höher sein als vorher“, befürchtet der Sozialverband Deutschland in einer Stellungnahme. Ähnlich äußert sich Ende November der Normenkontrollrat (NKR), der der Bundesregierung eine nie da gewesene Bürokratie-Last attestiert: Zumindest für die Verwaltung liefe die Kindergrundsicherung nicht auf eine Vereinfachung heraus, da „eine Vielzahl von Behörden“ mit dem Vollzug beschäftigt sein werden. Ob es für die Betroffenen von Familienarmut einfacher oder komplizierter wird, steht auf einem anderen Blatt.

Eigentlich war vom Fami­lienministerium beispielsweise angedacht, dass Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket mit in die Kindergrundsicherung fließen – dies war wohl mit dem FDP-geführten Finanzministerium nicht zu machen, sodass weiterhin je nach Leistung die Kommunen zuständig bleiben.

Bekommen arme Kinder mehr oder weniger Geld als vorher?

Minderjährige Kinder bekommen jetzt schon nichts, das Geld geht an die Eltern – das wird sich mit der Kindergrundsicherung nicht ändern. Bei den ärmsten Kindern kommt weniger Geld an: Bei Kindern von Asylbewerber_innen werden die Mittel gekürzt. Durch eine gestaffelte Anrechnung des Kindesunterhalts kann es auch für Kinder von Alleinerziehenden zu Verschlechterungen kommen.

Ist der Titel „größtes sozial­politisches Vorhaben der Ampelkoalition“ gerechtfertigt?

Die Regierung von SPD, Grünen und FDP ist sowieso nicht besonders sozial. Im Koalitionsvertrag gibt es teils große Versprechen, die nicht eingehalten wurden – auch beim Klimageld und Leistungen in der Pflege. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat also nicht ganz unrecht, wenn sie betont, dass es das „größte sozialpolitische Vorhaben der Ampel“ ist. Die Messlatte hängt allerdings nicht besonders hoch.

Wie wird sichergestellt, dass das Geld auch bei den Kindern ankommt?

Es wird keine neuen Kontrollmechanismen geben, obwohl beispielsweise Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP, in einem Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche Eltern von armen Kindern unterstellte, sie würden das Geld für Alkohol und Zigaretten ausgeben. Dieser Vorwurf wurde vielfach als armutsfeindlich zurückgewiesen; dass er falsch ist, belegt auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung. „Die meisten armutsgefährdeten Eltern sparen an allem – nur nicht an ihren Kindern“, sagte auch Sabina Schutter von SOS Kinderdorf in der taz Anfang des Jahres.

Warum gibt es so viel Kritik an dem Projekt?

Das liegt wohl daran, dass die Ampelkoalition sehr öffentlich darüber verhandelte, wie viel Geld in das Projekt fließen soll – um sich dann auf 2,4 Milliarden im Haushalt 2024 zu einigen, was sehr nah an der 2-Mil­liarden-Forderung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) lag. Paus hatte zuvor 12 Milliarden angekündigt.

Die Union pocht darauf, die Kindergrundsicherung abzuschaffen, da sie „viel zu bürokratisch“ (Dennis Thering) sei, das Geld solle laut Silvia Breher, der familienpolitischen Sprecherin, „besser direkt den Kindern und Jugendlichen zukommen“. Kritik gibt es nicht nur am befürchteten bürokratischen Aufwand, sondern auch daran, dass die Kindergrundsicherung Kindern in Armut nicht hilft:

So kritisierte das Bündnis Kindergrundsicherung in einer Stellungnahme Anfang November, dass die Kindergrund­sicherung einen „echten Systemwechsel“ benötige, und fordert eine Nachbesserung. „Die aktuell genannten ­Vorhaben entsprechen aber eher einer Verwaltungsreform als einer echten Kindergrundsicherung“, kritisierte auch Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der arbeitnehmer_innennahen Hans-Böckler-Stiftung.

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