Die Wahrheit: Im Schleichgang durch Dublin

Der grüne Umweltminister macht die irische Hauptstadt mit seinen verblüffenden Maßnahmen zur langsamsten Stadt der Welt neben London.

Eamon Ryan, Chef der irischen Grünen sowie Minister für Umwelt, Klima und Transport, wollte Chris Reas populäres Weihnachtslied „Driving Home for Christmas“ verbieten. Er riet Radiosendern, das Lied nicht zu spielen, weil es „Autofahrten propagiere und verherrliche“.

Manchmal muss man aber das Auto benutzen. Wenn ich nach Dublin möchte, um Freunde und Verwandte zu besuchen, ist der Bus häufig ausgebucht, denn auf dem Land verkehren nicht so viele, und wenn es schneit und stürmt, was im Januar häufig vorkommt, bleiben die Busse im Depot.

Autofahren in Irlands Hauptstadt ist ein Abenteuer. Ich wähnte mich auf einer Hauptstraße, doch plötzlich war die Hälfte der Fahrbahn mit Blumenkübeln versperrt. Die hat Ryan aufstellen lassen, weil er versprochen hat, den Dubliner Autofahrern das Leben zur Hölle zu machen. Dieses Versprechen hat er gehalten, aber bei seiner Kübelei hat er vergessen, den öffentlichen Nahverkehr auf Vordermann zu bringen.

Das Ergebnis: In keiner Stadt der Welt außer in London kommt man langsamer voran als in Dublin. Für zehn Kilometer braucht man eine halbe Stunde. Wer diese Strecke zur Arbeit fahren muss, benötigt dafür 158 Stunden im Jahr. In der Zeit könnte man 59 Bücher lesen, so hat eine Untersuchung von TomTom, dem Hersteller von Navigationssystemen, ergeben.

Ryan geht das aber immer noch zu schnell. „Die Menschen können Benzin sparen, wenn sie langsamer fahren“, rät er. „Die Geschwindigkeit beeinflusst die Effizienz.“ Und wenn sich alle zwischen 16 und 19 Uhr tot stellen, sparen sie jede Menge Strom. Das ist nämlich die Spitzenzeit, und man muss Strom sparen, weil er für weitere Datenzentren benötigt wird. „Diese Datenzentren bleiben eine Schlüsselkomponente von Irlands Infrastruktur“, sagte Ryan.

Nirgendwo auf der Welt findet man eine größere Konzentration dieser Zentren als im Großraum Dublin. Dabei verbrauchen sie bereits jetzt fast 20 Prozent des irischen Stroms, vom Wasser für die Kühlung ganz abgesehen. Steuern zahlen die Betreiber kaum, aber sie werden bis 2030 1,5 ­Millionen Tonnen CO2 zusätzlich produzieren. Ryan nickt alles ab. Er würde auch seine Oma für ein Pöstchen in der Regierung verkaufen.

Weitere Maßnahmen, die Ryan durchsetzen will, sind die Umbenennung des Billigfliegers Ryanair, weil er mit Fliegen nicht in Verbindung gebracht werden will, sowie die Umbenennung des Rockfestivals „Electric Picnic“ in „Acous­tic Picnic“. Die Veranstalter sollten heutzutage gefälligst darüber nachdenken, wie man Strom sparen könne.

Diese Nachrichten wurden freilich von einer satirischen Webseite verbreitet und sind genauso unwahr wie die Behauptung, Ryan wollte den Song „Driving Home for Christmas“ verbieten. Unangenehm für Ryan ist allerdings die Tatsache, dass die meisten Iren dies glaubten.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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