Bauernprotest vor dem Höhepunkt: Lautstarke Buhrufe übertönen Lindner

Der Bauernverband protestiert mit einer Großdemo in Berlin gegen Kürzungen. Finanzminister Lindner wird beschimpft. Polizei stoppt Fahrzeuge mit Fäkalien.

Linder auf dem Podium bei der Bauerndemo mit erhobenem Zeigefinger und verzerrtem Gesicht

Muss laut rufen, damit ihn jemand hört: Christian Lindner fehlt bei der Bauerndemo halt ein Trecker Foto: Fabrizio Bensch/rtr

BERLIN dpa/rtr/taz | Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist bei der Großdemonstration der Landwirte in Berlin lautstark beschimpft und ausgebuht worden. Von Pfiffen und Protestrufen begleitet trat der FDP-Politiker am Montag bei der Kundgebung der Bauern vor das Rednerpult, konnte wegen des Lärms jedoch erst nach einem beschwichtigenden Appell von Bauernpräsident Joachim Rukwied das Wort ergreifen. Die versammelten Landwirte begleiteten seine Rede dennoch weiter mit lauten „Hau ab!“-Rufen, Hupen und Pfeifen. Aus einigen Hundert Metern Entfernung war Lindner trotz Lautsprecherübertragung höchstens bruchstückhaft zu verstehen.

Zur Abschlusskundgebung der Aktionswoche der Bauern am Brandenburger Tor waren am Montagmorgen Teil­neh­me­r:in­nen mit zahlreichen weiteren Traktoren auf dem Weg in die Berliner Innenstadt. Wie teils auch in der Nacht waren auch am Morgen in mehreren Stadtteilen Hupkonzerte zu hören. Dem Protest schlossen sich auch andere Berufsgruppen an. Laut Polizei sind „weit über 5.000 Fahrzeuge“ im Zentrum der Hauptstadt zusammengekommen.

Neben Ver­tre­te­r:in­nen der Verbände hatte sich auf der Kundgebung auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigt. In die Buhrufe hinein sagte der Bundesfinanzminister: „Ich kann ihnen heute nicht mehr staatliche Hilfe versprechen aus dem Bundeshaushalt.“ Es könne aber mehr Freiheiten für Betriebe geben und weniger Bürokratie. Aber der FDP-Vorsitzende betonte auch: „Es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben.“

Auf Fahrzeugen waren am Morgen Slogans zu lesen wie „Tank leer – aus die Maus“, „Ohne Landwirte keine Zukunft“ und „Transport made in Germany – wie lange noch?“. Auf anderen Transparenten war von Regierungsversagen die Rede, von Widerstand gegen Unrecht, von Veruntreuung, Vetternwirtschaft und Kriegstreiberei.

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Am Morgen filtert die Polizei den gröbsten Dreck aus der Treckerkolonne. „Bei einigen Fahrzeugen auf der Route 3 (Ost) haben unsere Kolleg. eine Beladung mit Fäkalien festgestellt“, twitterte die Polizei auf X. Die Fahrzeuge wurden von der Anfahrt kurzfristig ausgeschlossen. Später ließ die Polizei sie ohne Ladung weiterfahren.

5.000 Traktoren in Berlin erwartet

Zu der Großdemonstration haben Bauernverbände und der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung aufgerufen. Rund 5.000 Traktoren und Landmaschinen werden aus dem gesamten Bundesgebiet zu der Kundgebung erwartet. Zudem seien rund 10.000 Menschen angemeldet worden. Damit wären es deutlich weniger Teil­neh­me­r:in­nen als Tags zuvor bei der Demonstration gegen Rechts auf der anderen Seite des Brandenburger Tors.

Es ist der Höhepunkt einer Aktionswoche gegen den Regierungsplan. Auch an weiteren Orten in Deutschland waren wieder Proteste angekündigt, etwa in Chemnitz, Freiburg und Bitburg.

Eine Allee ist voller demonstrierender Menschen, von hinten fotografiert, neben einer Traktorenkolonne.

Land­wir­t:in­nen fahren mit ihren Treckern schon in der Morgendämmerung zum Brandenburger Tor Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Bereits etliche Stunden vor Beginn der Großdemonstration in Berlin hatte die Polizei am Sonntagabend keine Traktoren mehr auf die Kundgebungsfläche auf der Straße des 17. Juni gelassen. Weitere Anreisende würden zu einer Ausweichfläche am Olympiastadion geleitet. Überall in der Stadt muss mit starken Verkehrsbehinderungen gerechnet werden.

Minister Lindner dämpfte vorab Erwartungen, dass auf die Subventionsstreichungen komplett verzichtet werde. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann.

Fraktionen laden Bauernvertreter zu Gespräch

Die Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP haben ebenfalls für diesen Montag die Spitzen der Landwirtschaftsverbände zu einem Gespräch eingeladen. Die Zustimmung des Bundestags zum Bundeshaushalt 2024 sowie zu den geplanten Kürzungen beim Agrardiesel steht noch aus.

Die Bundesregierung will Steuerbegünstigungen für Agrardiesel schrittweise abschaffen. Auf eine ursprünglich geplante Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft will die Regierung verzichten. Der Deutsche Bauernverband fordert aber, die Kürzungen komplett zurückzunehmen. „Für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft sind eine Förderung von Agrardiesel sowie die Kfz-Steuerbefreiung unerlässlich“, hieß es.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte kritisiert, dass rechtsradikale Kräfte die Proteste der Landwirte gezielt nutzten, um Wut zu schüren. Extremisten würden jeden politischen Kompromiss „verächtlich machen“.

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