Antisemitismusvorwurf gegen Rednerin: Erhitztes Diskursklima in Hamburg

Bei einer Veranstaltung zu „Strategien im Klimadiskurs“ könnte Israelfeindschaft eine Bühne bekommen, befürchtet Hamburgs Antisemitismusbeauftragter.

Menschen demonstrieren im Dezember 2023 auf dem Gelände der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai

„Climate justice now“: Protestaktion beim UN-Klimagipfel Ende vergangenen Jahres in Dubai Foto: Hannes P Albert/dpa

HAMBURG taz | „Nicht nur die Klimakrise spitzt sich zu, gleichzeitig wird auch der Diskursraum heißer“: Das schreiben die Verantwortlichen des Hamburger Kulturzentrums Kampnagel. Und zwar mit Blick auf einen Programmschwerpunkt namens „How low can we go“. Der soll sich ab Donnerstag drei Tage lang, eben, mit „Strategien im Klimadiskurs“ befassen.

Dabei tauschen sich Ex­per­t:in­nen aus mehreren Ländern etwa darüber aus, ob es nicht hilfreich sein könnte, Wälder, Flüsse und Berge zu Rechtspersönlichkeiten zu erklären. Oder wie sich die Klima­bewegung aus ihrem derzeitigen „Strategie-Vakuum“ holen ließe.

Wie zum Beweis eines erhitzten Diskursraums hat sich am Montag nun Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel an die Öffentlichkeit gewandt – und verlangt, dass die Veranstaltung nicht stattfinden dürfe wie geplant. Denn da drohe eine Frau zu sprechen, „die neben ihrem Engagement für Klimagerechtigkeit vor allem durch ihre antisemitischen Äußerungen von sich reden macht“.

Gemeint ist Zamzam Ibrahim, britisch-somalische Aktivistin, die sich – so Kampnagel – „in den letzten zehn Jahren als Vertreterin von Studenten und jungen Menschen für verschiedene Anliegen in den Bereichen soziale Gerechtigkeit, Bildung und Umwelt eingesetzt hat“.

Unterschiedlich betroffen vom Klimawandel

Neben einer Eröffnungsrede „über intersektionale Aspekte von Klimagerechtigkeit“ wird Ibrahim auch beteiligt sein an einem Workshop zu „Fragen nach sozialer Gerechtigkeit“, den „unterschiedlichen Betroffenheiten“ und „der Repräsentation innerhalb der Bewegung“: Demnach ist das ökologische Engagement stark geprägt „von weißen und mittelständischen Personen“, die der Klimawandel aber weniger gefährde als die Menschen im globalen Süden.

Für Hensel indes ist die 29-Jährige eine „ausgewiesene und vehemente“ Vertreterin der Israel-Boykott-Bewegung BDS und vertritt Positionen, „die das Existenzrecht Israels verneinen“. Sie habe erklärt, Klimagerechtigkeit umfasse „den Ruf nach dem Ende des Genozids in Palästina“. Im Oktober, zwei Tage nach dem Angrif der Hamas auf israelische Zi­vi­lis­t:in­nen schrieb sie demnach auf der Social-Media-Plattform Twitter bzw. X, die Geschichte werde sich an jene erinnern, „die auf Seiten der Unterdrücker standen und die Unterdrückten vergaßen“. Die Gerechtigkeit sei Sache Gottes, „aber der Widerstand liegt in unseren Händen“.

Deshalb, so Hensel, habe er sich am 16. Januar an die Kampnagel-Intendanz sowie an Hamburgs Kulturbehörde gewandt mit der Forderung, Ibrahim nicht auftreten zu lassen.

Kultursenator äußert „Sorge“

Auf taz-Nachfrage teilt die Behörde mit, Kultursenator Carsten Brosda (SPD) habe daraufhin Ende vergangener Woche Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard kontaktiert und ihr durchaus auch „seine Besorgnis mitgeteilt“: darüber, dass die Rednerin den Auftritt am Donnerstag nutzen könnte für „ihre nicht akzeptablen israelbezogenen antisemitischen Positionen“. Zumindest in gewissem Umfang hätte Brosda sich damit Hensels Sicht zu eigen gemacht.

Es handele sich allerdings um eine Veranstaltung zu einem anderen Thema, erklärt die Behörde weiter. Auch müsse der Staat zurückhaltend sein mit Eingriffen in die „inhaltliche kulturelle Programmgestaltung“ über gesetzliche Regelungen hinaus. Und: Die Ver­an­stal­te­r:in­nen hätten zugesagt, Antisemitismus nicht zu dulden und entsprechenden Aussagen gegebenenfalls zu widersprechen. Wie gut das gelingt, falls nötig, muss sich Donnerstagabend zeigen.

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