US-Beschuss proiranischer Milizen: Bidens unfreiwilliger Balanceakt

Teherans Handlanger nutzen den Krieg, um an der antiamerikanischen Front zu punkten. Weder Irak noch die Huthis dürften Interesse für Gaza hegen.

Mitglieder der irakischen Volksmobilisierungskräfte bei der Beerdigung von 16 Mitgliedern, die bei US-Luftangriffen getötet wurden

Mitglieder der irakischen Volksmobilisierungskräfte bei der Beerdigung von 16 Mitgliedern, die bei US-Luftangriffen getötet wurden Foto: Ameer Al-Mohammedawi/dpa

Die Logik Teherans und seiner Handlanger geht auf: Mit den US-Angriffen auf Ziele in Irak, Syrien und Jemen werden die USA weiter in einen Großkonflikt gezogen, der nur noch deklamatorisch etwas mit dem Krieg im Gazastreifen zu tun hat. Während es Teheran immer besser gelingt, Israels Krieg gegen die Hamas mit der Rolle der USA in der Region zu koppeln, werden die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen für Irans antiamerikanische Agenda instrumentalisiert.

Irak und Gaza – eigentlich sind das ebenso zwei Paar Schuh wie die Huthis und Gaza. Sowohl im Irak als auch im Jemen sind Konflikte mit ganz eigenen Dynamiken im Gange. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung ist längst alles mit Gaza verknüpft. Populär ist, wer sich für die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen einsetzt, die einem Krieg ausgesetzt sind, an den man sich im Gazastreifen noch in hundert Jahren erinnern wird.

Dass sogar die Huthis auf der Welle der Solidarität surfen, zeigt, wie gut sich der Gazakrieg instrumentalisieren lässt. Als schiitisch-islamistische Bewegung steht sie dem arabisch-sunnitischen Mainstream in der Region nicht sonderlich nahe. Trotzdem schaffen sie es, sich als tatkräftige Unterstützer der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in Szene zu setzen.

Indem Iran über seine Handlanger immer offener gegen die USA vorgeht, will sich das Regime – gewissermaßen das Mutterschiff für die antiamerikanischen Kräfte in Irak, Syrien, Libanon und Jemen – profilieren. In Teheran weiß man, dass die USA keinen Krieg mit Iran wollen. Die US-Wahl im November ist für das Regime die ultimative Sicherheitsgarantie. Und man weiß auch: Je stärker sich die USA in den Konflikt hineinziehen lassen, desto mehr verfängt das Argument, dass sie für alles Übel in der Region verantwortlich sind.

Vorläufig besonnene Reaktion

Die USA haben in den letzten Jahren mitnichten eine konstruktive Rolle gespielt, wenn es um Israel und Palästina ging. Trumps Nahostteam stand der israelischen Siedlerbewegung nahe, und Biden bringt es auch nach über 20.000 Toten in Gaza nicht über die Lippen, Waffenstillstand zu sagen. Doch was die Region angeht, haben die USA bislang besonnen reagiert. Wochenlang ließen Vergeltungsschläge gegen die Huthis auf sich warten. Auch die Angriffe in Irak und Syrien waren begrenzt.

Noch scheint es um Symbolik zu gehen, nicht darum, die angegriffenen Kräfte ernsthaft zu schwächen. Vor allem hat Biden, anders als von Teilen der US-Opposition gefordert, keine Ziele innerhalb Irans angreifen lassen. Je länger die Katastrophe in Gaza andauert und je näher die US-Wahl rückt, desto schwieriger wird jedoch der Balanceakt zwischen Zurückhaltung und Reaktion.

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ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann

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