Schwarz-rotes Schuldenprogramm: Klima-Sondervermögen vor dem Aus

Für Klimaschutzinvestitionen wollten CDU und SPD Kredite in Milliardenhöhe aufnehmen. Ein vom Senat beauftragtes Gutachten beerdigt vorerst die Pläne.

Das Bild zeigt Franziska Giffey und Kai Wegner

Katastrophe mit Ansage: Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und Senatschef Kai Wegner (CDU) Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz | Die im vergangenen Jahr während der Koalitionsgespräche von CDU und SPD aus dem Hut gezauberte Idee eines „Sondervermögens Klimaschutz“ ist so gut wie tot. Das ist nach taz-Informationen die ernüchternde Erkenntnis, die sich aus einem vom Senat im Dezember in Auftrag gegebenen und intern seit Donnerstag vorliegenden Rechtsgutachten ziehen lässt.

Kredite in Höhe von fünf, in einem weiteren Schritt bis zehn Milliarden Euro wollte Schwarz-Rot aufnehmen, um „einen neuen Schub“ in den Bereich Klimaschutz zu bringen, wie im März 2023 der bald darauf zum Regierenden Bürgermeister gewählte CDU-Landeschef Kai Wegner vollmundig versprach. Elf Monate später ist klar: Mit dem neuen Schub mittels Schulden dürfte es erst mal nichts werden. Jedenfalls nicht über die angedachte Form.

Einem Bericht der Berliner Morgenpost zufolge kommen die Gut­ach­te­r:in­nen der beauftragten Anwaltskanzlei zu dem Schluss, dass „die bisher bevorzugte Konstruktion“ im Entwurf zum sogenannten Errichtungsgesetz für das Sondervermögen „nicht zulässig“ sei. Genau das also, was Ex­per­t:in­nen vorab befürchtet hatten.

Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark, der vor einem Jahr noch vor Kai Wegner offensiv für ein milliardenschweres Klima-Schuldenprogramm geworben hatte, macht keinen Hehl daraus, dass er überrascht, vor allem aber auch enttäuscht ist. „Das ist eine sehr schlechte Nachricht für alle, die sich für Klimaschutz in dieser Stadt stark machen“, sagt der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion zur taz.

Klimakrise als Daueraufgabe

Nicht ganz so groß ist die Überraschung bei Linda Vierecke, der Umwelt- und Klimaschutzexpertin der SPD-Fraktion. Das negative Urteil des Gutachtens sei natürlich „eine Katastrophe“, sagt Vierecke zur taz. Aber eben auch eine Katastrophe mit Ansage: „Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 haben wir das bereits fast erwartet.“

Die Rich­te­r:in­nen in Karlsruhe hatten mit Blick auf ein Sondervermögen des Bundes das generelle Prinzip vorgegeben, dass staatlicherseits geliehenes Geld nicht über Jahre auf Reserve zurückgehalten werden darf. Vielmehr müssten die benötigten Summen Jahr für Jahr neu begründet und verplant werden. Die festgelegten Mittel sind folglich nur für das ausgeschriebene Haushaltsjahr gültig. Ein Prinzip, das laut Senatsgutachten das Berliner Sondervermögen verletzt. Klagen sind damit Tür und Tor geöffnet.

Fachleute verweisen dabei seit längerem darauf, dass die verfassungsrechtliche Fessel der sogenannten Jährigkeit beim auf viele Jahre angelegten Kampf gegen die Klimakrise praktisch kaum zu lösen ist. Ob umfassende energetische Gebäudesanierung, Wärme- oder Verkehrswende: Das alles sind Daueraufgaben. Für einzelne Klimaschutzprojekte gibt es zudem faktisch keine Investitionssicherheit mehr.

Massive Kritik an der Schuldenbremse

Für Steffen Zillich, den Haushaltsexperten der Linksfraktion, zeigt das voraussichtliche Scheitern des Berliner Sondervermögens dann auch vor allem eines: „Dieses ganze Desaster jetzt hätte es nicht gebraucht, wenn wir die Abschaffung der für Bund und Länder geltenden Schuldenbremse bereits durchgesetzt hätten.“ Hier sollte der Senat endlich „initiativ tätig werden“. Die Unterstützung der Linken hätte er, so Zillich zur taz.

Auch Grünen-Fraktionschef Werner Graf verweist darauf, „dass die Schuldenbremse eine echte Zukunftsbremse ist, die die nötigen Investitionen in die sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft verhindert“. Berlin müsse sich im Bundesrat und darüber hinaus endlich für eine einsetzen. Nicht zuletzt Senatschef Kai Wegner sei dabei in der Pflicht, über eine Änderung der Schuldenregeln „in die Diskussion mit der Bundes-CDU zu gehen, statt weiter nur in Interviews darüber zu sprechen“.

Zur Erinnerung: Es war die Bundes-CDU mit Friedrich Merz an der Spitze, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts herbeigeführt hat. Und es ist die Bundes-CDU, die sich Debatten über eine Lockerung, gar Abschaffung der Schuldenbremse konsequent verweigert.

Ausbaden müssen das Berliner Parteikollegen wie Danny Freymark – und die Frage nach der Senatssondergeldpleite ist: Was nun? Freymark sagt, die geplanten Klimaschutzprojekte seien unverzichtbar und müssten daher zwingend über andere Wege finanziert werden. Dass das eine alles andere als leichte Aufgabe ist, sei ihm bewusst. „Der reguläre Haushalt ist schließlich bereits verabschiedet, und wenn die Konjunktur nicht überraschenderweise abhebt, werden wir ohnehin Milliarden einsparen müssen.“

Landesunternehmen als Rettungsanker

Eine alternative Finanzierungsmöglichkeit könnte tatsächlich darin bestehen, dass Berlin die einzelnen Klimaschutzprojekte über Landesunternehmen realisieren lässt, die dafür – unter Umgehung der Schuldenbremse – entsprechende Kredite aufnehmen. Die SPD-Abgeordnete Linda Vierecke hält das angesichts der Hiobsbotschaft des Gutachtens für sinnvoll. Grüne und Linke gehen da mit.

Am kommenden Mittwoch soll sich der für Haushaltsfragen zuständige Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Gutachten und den Folgen daraus beschäftigen.

Die Zeit drängt, jetzt umso mehr, sagt Linda Vierecke. Es müssten „schnellstmöglich“ Wege gefunden werden, wie die milliardenschweren Klimaschutzprojekte doch noch finanziert werden können: „Diese Landesregierung hat sich vorgenommen, den Weg zur Klimaneutralität zu beschreiten. Dahinter können und dürfen wir nicht zurückfallen.“ Die Grünen befürchten freilich, dass exakt das passieren könnte und „auch der Klimaschutz bei Schwarz-Rot auf der Strecke bleibt“.

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