Untersuchungsausschuss in Österreich: Kuscheln mit russischen Beamten

Eine Akte aus einem U-Ausschuss zeigt: Die FPÖ wollte Treffen mit russischen Beamten organisieren. Die Nähe der Partei zu Moskau ist bekannt.

Mann hält am Pult Rede, hinter ihm blaue Luftballons

Herbert Kickl, Bundesparteiobmann der FPÖ, spricht während des Politischen Aschermittwochs im Februar 2024 in Ried

WIEN taz | In Österreich beginnt – mal wieder – ein Untersuchungsausschuss. Dieses Mal ist der Untersuchungsgegenstand „rot-blauer Machtmissbrauch“. Angeregt hat ihn die konservative Österreichischen Volkspartei (ÖVP), als Antwort auf einen von der rechtspopulistischen Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und der Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) installierten Ausschuss zur möglichen Bevorzugung ÖVP-naher Firmen und Privatpersonen bei den üppigen staatlichen Coronahilfen.

Beide Untersuchungsausschüsse starten in den kommenden Wochen, erwartet wird einmal mehr dringend benötigte parlamentarische Aufklärung rund um Filz, Freunderlwirtschaft und mehr.

Soweit so üblich im skandalgeplagten Österreich. In der Vorbereitung von Untersuchungsauschüssen sind die Ministerien mittlerweile gut trainiert, die zu untersuchenden Akten liefern sie im Vorfeld an das Parlament. Im Zuge einer Übermittlung des Justizministeriums kamen nun mehrere Chats ans Licht, die zeigen: Der frühere FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatte sich um ein Treffen österreichischer mit russischen Beamten bemüht. Aus den Chats geht auch hervor, dass die Initiative zu diesem „Gedankenaustausch“ offenbar von Russland ausging. Dies berichtet die Tageszeitung Der Standard.

Die FPÖ-Führung war hinsichtlich eines solchen Treffens ganz aufgeschlossen. „Über die Verwaltungsakademie (der Bundesregierung, Anm.) muss hier ja etwas möglich sein“, schrieb Strache etwa im April 2019 per Handynachricht. Woraufhin Roland Weinert, der damalige Generalsekretär im Vizekanzleramt, antwortete: „Wird vorbereitet. Wir werden uns treffen.“

Zusammenhang mit „Freundschaftsvertrag“ mit Moskau?

Ob es zu diesen Treffen kam und worum es dabei ging, ist noch unklar. Laut FPÖ habe es nur „übliche Beziehungen zu Russland“ gegeben. Unklar ist auch, ob dieses angedachte Treffen in Verbindung mit dem „Freundschaftsvertrag“ steht, den die FPÖ 2016 mit Putins Partei „Einiges Russland“ geschlossen hatte. Der Vertrag, den führende FPÖ-Mitglieder in Moskau unterzeichnet hatten, war von Anfang an umstritten. Über den Vertragsinhalt schweigt die Partei beharrlich und tut dies auch auf aktuelle Anfrage der taz. Die FPÖ machte den Inhalt nie von sich aus öffentlich, dies geschah erst später durch die Austria Presse Agentur (APA). Vereinbart wurden unter anderem gemeinsamer Informationsaustausch, Expertentreffen und die Entwicklung von Kontakten auf regionaler Ebene.

Der Vertrag sei „ausgelaufen“, sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker im Frühjahr 2023, ohne dies näher zu erläutern. Laut Standard-Infos stimmt dies nicht: Die FPÖ habe 2021 eine Kündigungsfrist verstreichen lassen, weshalb der Vertrag formal bis Ende 2026 verlängert wurde.

Im Verdacht der Russlandnähe steht die FPÖ schon lange. Immer wieder gibt es besonders erinnerungswürdige Ereignisse, etwa als die FPÖ-nominierte Außenministerin Karin Kneissl 2018 vor Wladimir Putin höflich knickste. Die Ministerin hatte den russischen Präsidenten zu ihrer Hochzeit nach Österreich eingeladen, Bilder der beidem beim Schwofen sorgten für internationale Kritik. Sie verzog später nach Russland aufs Dorf.

Ebenfalls pikant: Vier Jahre zuvor hatte Russland die Krim annektiert und war im Donbass eingefallen. Schon 2014 und 2015 fuhren FPÖ-Abgeordnete dann als „inoffizielle Wahlbeobachter“ in die beiden Gebiete. Die Präsenz der Abgeordneten trug dazu bei, die völkerrechtswidrige Annexion zu legitimieren.

Die FPÖ sieht sich als Ritter gegen „Kriegstreiberei“

Allein im ersten Jahr nach Beginn des vollumfassenden Kriegs in der Ukraine ab dem 24. Februar 2022 hatte die FPÖ mehr als dreißig Moskau-freundliche Anträge im Nationalrat eingebracht. Themen waren etwa die Ablehnung von Finanzhilfen an die Ukraine, eine Beendigung „des für Europa schädlichen Sanktionsregimes“ oder ein Heraushalten aus der „Kriegstreiberei der EU“ seitens des neutralen Österreichs. Tatsächlich standen Waffenlieferungen Österreichs an die Ukraine nie zur Debatte. Eine Neutralitätsdebatte wurde im Land – wohl auch wegen der von der FPÖ entsprechend bewirtschafteten Stimmung – von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer abmoderiert, bevor sie noch geführt wurde.

Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij im März des Vorjahres eine Videoansprache im österreichischen Parlament hielt, verließen die FPÖ-Abgeordneten aus Protest geschlossen den Saal. Erst letzte Woche, zum zweiten Jahrestag des Ukrainekriegs, sprach FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl einmal mehr von „Kriegstreiberei der EU“, die von Beginn an „auf die falsche Strategie“ gesetzt habe.

Sehr viel russlandfreundlicher kann man sich im Rahmen der Neutralität, auf die sich die FPÖ lautstark beruft, gar nicht verhalten. Wie es die FPÖ mit der Neutralität tatsächlich hält, wird wohl im Untersuchungsausschuss klarer werden. Er beginnt Mitte März und soll Ende Mai zum Schluss kommen.

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