„Manifest“ für einen neuen ÖRR: Jammern am rechten Rand

Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben ein „Manifest“ veröffentlicht. Politische und persönliche Motive sind bunt gemischt.

Die Kabarettistin Lisa Fitz gestikulierend auf einer Bühne.

Eine der Erstunterzeichnerinnen: Liza Fitz Foto: imago

Rund 100 Künstler*innen, Jour­na­lis­t*in­nen und Wis­sen­schaft­le­r*in­nen sind besorgt. Das geht aus einem „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ hervor, das am Mittwoch auf der dafür erstellten Seite meinungsvielfalt.jetzt veröffentlicht wurde. Die Unterzeichnenden würden einen „öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) als Säule der Demokratie“ schätzen. Aber der sei aktuell in Gefahr.

Die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen beklagen, dass Meinungsmache und Berichterstattung verschwimmen würden, in einer Form „die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht.“ Man nehme auch eine zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung wahr. Das Papier listet zudem eine Reihe von Reformvorschlägen auf, darunter ein offenes Archiv von allen Veröffentlichungen und mehr Bürgerbeteiligung.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland steht seit langem in der Kritik – nicht nur aus Kreisen der Erstunterzeichner*innen. Einige Themen des Manifests wie etwa die Nähe und Einflussnahme von Politik, zunehmender Zeitdruck bei Recherchen und Zwang zur Wirtschaftlichkeit beschäftigen viele Journalist*innen.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Mika Beuster, hatte in einem ersten Statement betont, dass auch er einige Kritikpunkte, wie die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen beim ÖRR und die Situation von Frei­be­ruf­le­r*in­nen durchaus teile.

Zündstoff für die Rechten

Um sich mit berechtigter Kritik zu beschäftigen, hat die Rundfunkkommission der Länder am 8. März 2023 den Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Zukunftsrat) eingesetzt, damit beauftragt, eine langfristige Perspektive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seiner Akzeptanz zu entwickeln und im Januar 2024 seine Empfehlungen veröffentlicht. Gerade die Koordinationsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Rundfunkanstalten hatte der Zukunftsrat kritisiert und Reformen gefordert.

Warum einige dieser durchaus sinnvollen Vorschläge aber mit dem Manifest in neurechten Kreisen kursieren, verwundert. Die Plattform für Hetze und Falschbehauptungen Tichys Einblick ist die Erste, die am Mittwoch ausführlich auf das Manifest einging. In einem langen Interview führte Erstunterzeichnerin und rbb-Journalistin Annekathrin Mücke die Forderungen aus.

Auch ein Blick in die Liste der weiteren Un­ter­zeich­ne­r*in­nen lässt die teils legitimen Forderungen dubios wirken. Denn hierunter befinden sich auch Menschen, die der neurechten Szene nahestehen. Mit dabei sind etwa Michael Meyen, Ex-Herausgeber der Zeitung Demokratischer Widerstand, eines Organs der radikalen Szene aus Quer­den­ke­r*in­nen und Coronaleugner*innen. Auch die Kabarettistin Lisa Fitz ist Erstunterzeichnerin. Sie verbreitete während der Covid-19- Pandemie immer wieder Desinformationen, etwa zu der angeblichen Zahl von 5.000 Toten durch Impfungen.

Die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen kritisieren, dass „Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt“ würden. Auch die angebliche inflationäre Verwendung von Begriffen wie „Schwurbler, Klimaleugner oder Putin-Versteher“ kritisieren sie. Meinung von Minderheiten würden so mundtot gemacht.

Widerspruch von ARD und ZDF

Das Forderungspapier „liegt in zentralen Punkten falsch“, widersprach die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (AGRA) am Donnerstag. Im AGRA-Statement heißt es weiter: „Wir haben überall eine lebhafte Streitkultur, bei der alle Meinungen geäußert werden. Berichterstattung findet grundsätzlich nach journalistischen Prinzipien statt.“

Auf der Website des Manifests wird betont, dass die Er­stel­le­r*in­nen Mit­ar­bei­te­r*in­nen der öffentlich-rechtlichen Anstalten seien. Unter den rund 100 namentlich genannten Erst­un­ter­zeich­ne­r*in­nen befinden sich aber nur sechs aktive Journalist*innen, merkte Hendrik Zörner in einem Kommentar auf dem DJV-Blog an.

Im Manifest werden neben den Erst­un­ter­zeich­ne­r*in­nen noch 33 weitere öffentlich-rechtliche-Mitarbeiter*innen genannt, die ihre Unterschriften bei einem Rechtsanwalt hinterlegt hätten und somit nicht öffentlich einsehbar sind.

Anonyme Statements

Neben dem Manifest sind auf der Website auch Statements verfasst, die die persönliche Erfahrung der Un­ter­zeich­ne­r*in­nen in der öffentlich-rechtlichen Medienwelt darstellen sollen. Die meisten davon anonym, da die Sorge vor beruflichen Konsequenzen groß sei, so die Mitwirkenden auf der Website.

In ihnen ist die Coronaberichterstattung ein wichtiger Punkt, er hat einen eigenen Reiter. „Wir wurden, fand ich, weiter mit Halbwahrheiten von den gleichen ‚Experten‘ billig abgespeist“, schreibt etwa eine SWR-Mitarbeiterin zum Thema.

In den vergangenen Tagen übernahmen einige Medien Teile oder das gesamte Manifest, als Zeichen ihrer Zustimmung. Darunter Telepolis, ein Magazin von Heise Online oder die Berliner Zeitung.

Andere Medien kritisieren das Manifest aber. René Martens etwa nennt die Formulierungen in der MDR-Kolumne „Das Altpapier“ nach „KI klingendes Formulierungsbausteingewitter“ und vermutet hinter dem Manifest „die Rache eines gut vernetzten Sounddesigners“.

Denn Ole Skambraks, Presserechtlich Verantwortlicher von meinungsvielfalt.jetzt wurde 2022 beim SWR entlassen – weil er „den SWR und damit die hier tätigen Kolleginnen und Kollegen fortgesetzt durch falsche Tatsachenbehauptungen in der Öffentlichkeit diskreditiert“ habe. Mit seinem Verhalten habe Skambraks auch den Betriebsfrieden „empfindlich gestört“. Hintergrund war die Kritik Skambraks an der Corona-Berichterstattung des Senders. So schließt sich der Kreis.

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