Assoziatives zur Protestformen: Zwischen den Stühlen

Die ganzen Trecker-Proteste kommen daher wie eine absurde Balzparade, demonstrieren und imponieren. Dabei geht es viel demokratischer.

Traktoren fahren aus Richtung Rüdersdorf und Seelow kommend über die Bundesstraße B1 zu einer Protestaktion.

So männlich aufgeladen, das ganze Getreckere Foto: Soeren Stache/dpa

Diese Demos mit Treckern sind irgendwie drüber und unfair, find ich, weil ja nun nicht alle einen Trecker haben!“, sagt der Freund und nimmt Glitzer­ohrenschützer aus dem Regal im Schanzenladen.

„Und so männlich aufgeladen, das ganze Getreckere, demonstrieren und imponieren, wie so ’ne absurde Balzparade kam mir das rüber“, sagt seine Freundin.

„Na, dafür gibt es doch ‚Bauer sucht Frau‘, oder?“

„Gibt’s jetzt sogar auch in divers, die Sendung.“

„Aber an so ’ner Treckerdemo ist nix divers, eher Testosterongedröhn auf slow.“

„Das find ich gar nicht problematisch, einfach nur undemokratisch, Klebe haben alle in der Schublade, oder auch zwei Beine und Hände zum Latschen und Schilderhochhalten, aber so’n Trecker ist schon hart exklusiv!“

„Nicht alle haben zwei Beine und Arme.“

„Aber alle haben hier, was weiß ich … einen Stuhl!“

„Das wär ’ne geile Demo, wenn alle mit ’nem Stuhl kämen, stellt euch das in ganz Hamburg vor.“

„Ziemlich sperrig.“

„Eben!“

Stuhl und Kleber statt Trecker

„Aber einen Stuhl haben auch nicht alle.“

„Einen Stuhl könnte man sich auf die Schnelle leihen, einen Trecker nicht.“

„Einige Menschen haben weitaus mehr Stühle, als sie brauchen!“

„Vielleicht weil sie besonders gastfreundlich sind.“

„Oder weil sie ständig mondäne Dinner-Abende mit ihren ganzen besten Freunden veranstalten.“

„Aber dann sehr links wählen!“

„Meinst du jetzt mich oder was?“

„Auf jeden Fall die, die Sahra Wagenknecht verachtet.“

„Jetzt hab ich Angst vor Sahra Wagenknecht.“

„Ach, die ist auch nur ein Mensch.“

„Was macht einen Mensch zum Mensch?“

„Ein Burn-out?“

„Hatte sie!“

„Was noch?“

„Frag Herbert Grönemeyer.“

„Nee, das war Mann, oder? Wann ist ein Mann ein Mann?!“

„Meint ihr, das ist inzwischen geklärt?“

„Vielleicht zumindest in Bochum.“

„Weil der von da kommt?“

„In dem Lied duzt er die Stadt.“

„So wie Lotto King Karl Hamburg in dem Perlen-Lied!“

„Wurde über die Demobilder drübergelegt, da wurde mir so trüb-kitschig zumute, ich wollte nur noch implodieren.“

„Wieso?“

„Ich fühlte mich so entsetzlich einsam beim Anblick der Massen.“

„Weil du nicht dabei warst?“

„Nee, weil ich innen drin eben doch nur einer bin.“

„Geht doch allen so.“

„Bin ich mir nicht sicher.“

„Arbeitsniederlegung!“

„Hä?“

„Das können alle aus Protest tun!“

„Als hätten alle Arbeit.“

„Aber alle haben doch irgendwas zu tun.“

„Nicht alle haben jedoch Geld für Superklebe.“

„Das ist ja nun ohnehin Geschichte.“

„Alle haben ihr Leben, erst wenn das hin ist, hat sich das mit dem Protest erledigt.“

„Du meinst, leben heißt protestieren?“

„Nee, ich meinte jetzt echt, wenn du tot bist, bist du eben tot, mit oder ohne Trecker.“

„Und da wären wir dann beim Hungerstreik.“

Das Gegenteil von Macht

„Davon wird man doch bloß schwach und behandlungsbedürftig, ist das nicht das Gegenteil von Macht?“

„Es ist eben das letzte Mittel.“

„Na, aber da muss einem ja was doll wichtig sein, wenn man dafür gleich seinen ganzen Organismus hergibt.“

„Das wär’, als würden die Bauern ihre Trecker mit sich inklusive in die Schrottpresse fahren.“

„Und wer kümmert sich dann um die Kühe?“

„Na, all die grünen Wiesen wären noch da, ich denke, die Kühe kämen klar.“

„Aber die sind die ganze große Freiheit und Weite ja gar nicht gewohnt.“

„Na und? Was soll schon passieren?“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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