Causa Reichelt: Außergerichtlich geeinigt

Eigentlich sollte Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt seine Millionen-Abfindung zurückzahlen. Doch nun vermeidet Springer den Prozess.

Porträtaufnahme: Julian Reichelt

Wie viel der Zwei-Millionen-Abfindung muss er zurückzahlen? Ex-Bild-Chef Julian Reichelt Foto: imago

KARLSRUHE taz – Der Axel Springer Verlag und Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt haben ihren arbeitsgerichtlichen Streit durch einen Vergleich beigelegt. Reichelt kann damit seine Abfindung in Höhe von zwei Millionen Euro behalten. Der Prozess vor dem Arbeitsgericht Berlin, der am 15. November beginnen sollte, fällt aus. Noch aber ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen Reichelt wegen Betrugs.

Ausgelöst wurde die Affäre durch Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen Reichelt. Der Bild-Chefredakteur soll regelmäßig seine Stellung benutzt haben, um junge Journalistinnen zu fördern und in sexuelle Affären zu verwickeln. Springer untersuchte den Vorgang zwar im Frühjahr 2021. Doch dies war nicht der Kündigungsgrund.

Die Kündigung erfolgte erst ein halbes Jahr später im Oktober 2021. Reichelt soll die Beziehung zu einer Mitarbeiterin fortgeführt und den Verlag darüber getäuscht haben. Damit Reichelt gegen die Kündigung nicht klagt, schloss Springer parallel einen Abwicklungsvertrag mit ihm, in dem Reichelt zwei Millionen Euro Abfindung zugesichert werden und sich der Journalist unter anderem verpflichtete, Unterlagen und Daten aus seiner Zeit bei Springer zu vernichten und zu löschen.

Kurz bevor die Abfindung ein Jahr später, im November 2022, ausbezahlt werden sollte, musste Reichelt gegenüber Springer versichern, dass er sich an seine Verplichtungen aus dem Abwicklungsvertrag hält. Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass Reichelt anderen Medien Material angeboten haben soll.

Springer nahm dies zum Anlass, Reichelt zu verklagen

Tatsächlich machte Holger Friedrich, der Herausgeber der Berliner Zeitung, im April 2023 bekannt, dass Reichelt ihm Unterlagen angeboten habe, um seine Sicht auf die Machtmissbrauchs-Vorwürfe zu untermauern.

Springer nahm dies zum Anlass, Reichelt vor dem Arbeitsgericht Berlin zu verklagen. Reichelt soll die Zwei-Millionen-Abfindung zurücküberweisen und eine Vertragsstrafe in Höhe von knapp 200.000 Euro zahlen. Reichelt erhob eine Widerklage und verlangte Informationen von Springer über die internen Machtmissbrauchs-Untersuchungen gegen ihn.

Im Juni fand ein öffentlicher Gütetermin am Arbeitsgericht Berlin statt – begleitet von großem Medieninteresse. Damals lehnte Springer aber einen Vergleich ab. Man vertraue darauf, den Prozess zu gewinnen.

Nur zwei Monate später sieht alles wieder anders aus. Auf seiner Webseite teilte der Axel-Springer-Verlag mit, dass die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung mit Julian Reichelt beendet sei. Sowohl der Verlag als auch Reichelt hätten ihre Klagen zurückgenommen. Über den genauen Inhalt der Einigung sei Vertraulichkeit vereinbart worden. Springer behalte sich aber vor, gegen Reichelt wieder vorzugehen, wenn dieser gegen den Abwicklungsvertrag oder die neue Einigung verstoße.

Springer war der Schaden zu hoch?

Die Einigung kann verschiedene Gründe haben. Möglichkeit eins: Springer war sich doch nicht mehr so sicher, den Prozess vor dem Arbeitsgericht zu gewinnen. Immerhin hatte Reichelt stets betont, er habe der Berliner Zeitung vor allem eigene Chatverläufe und keine Verlagsinterna übermittelt.

Möglichkeit zwei: Springer war der Image-Schaden zu hoch. Wie sich im Gütetermin ergab, durfte Reichelt noch lange nach seiner Kündigung in einer gemeinsamen Chatgruppe mit Springer-Führungsleuten über den Umgang mit den Machtmissbrauchs-Vorwürfen diskutieren. Das hätte auch für Springer peinlich werden können.

Möglichkeit drei: Vielleicht wollen Springer und Reichelt auch wieder enger zusammenarbeiten und deshalb den belastenden Rechtsstreit beenden. Derzeit produziert Reichelt mit seiner Firma Rome Media das rechtspopulistische Medienportal nius.de.

Keine Auswirkungen hat die arbeitsgerichtliche Einigung auf das Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft gegen Reichelt. Springer hatte gegen Reichelt parallel zur Klage beim Arbeitsgericht auch Strafanzeige wegen Betrugs gestellt. Auch dabei ging es um die angeblich falsche Versicherung Reichelts im November 2022, er halte sich an seine Verpflichtungen aus dem Abwicklungsvertrag. Mit dieser Täuschung habe Reichelt die Auszahlung der Abfindung erreicht, so die damalige Argumentation von Springer.

Auf Anfrage der taz erklärte die Staatsanwaltschaft Berlin: „Die Ermittlungen dauern an.“

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