David Foster Wallace' „Neon“ in Hamburg: Grinsen am bodenlosen Schlund

Im guten Sinne nervig: Florian Zimmler macht eine Kurzgeschichte zu einem medial unterstützten Quasi-Soloabend.

DEr Schauspieler Florian Zimmler vor Vollmondhintergrund

„Ich war mein Leben lang ein Heuchler“: Florian Zimmler, per Video vervielfältigt Foto: Fabian Hammerl/Thalia Theater

HAMBURG taz | Der Typ nervt richtig. Nicht nur, dass da ein Schauspieler ein „Projekt“ realisiert, bei dem er noch mehr Raum einnimmt als eh schon üblich in seinem Metier: quasi als Solist. Nein, es geht darin auch noch um einen, der sich umgebracht hat – was ihn aber mitnichten hat verstummen lassen. Und dann labert er auch noch – Funkkopfhörer! – wie von zwischen unseren Ohren hervor: Unangenehm nah kommt einem das, inklusive Lippengeräuschen, die man­ch*n wohl aus dem Theater treiben könnten.

Den nicht enden wollenden Bewusstseinsstrom übers Warum dieses Abgangs, über Heuchelei und Manipulation, vorenthaltene Bestätigung und ausgetrickste Therapeuten: Den wiederum hat David Foster Wallace sich ausgedacht, dieser Literaturstar (nicht nur, aber auch) für Leute, die gar keine Literatur mögen; dieser gern als Schöpfer gaaanz großer Romanwürfe Wahrgenommene, mehr gekauft als auch gelesen; der dabei immer wieder Kurzes und Kleines geschrieben hat.

Ach, ja: Foster Wallace ist selbst durch eigene Hand aus dem Leben geschieden. Und auch wenn das Thaalia den Zu­schaue­r*in­nen nun etwas Papier in die Hand drückt und sich darin auch findet, „die Erzählung“ tauge nur „sehr wenig als Indiz dafür“: Die Parallele wird sich aus keinem Umgang, keiner Bearbeitung dieser Vorlage herausrechnen lassen.

Realisiert hat den Abend nach – oder über? – Foster Wallace das Thalia-Ensemblemitglied Sebastian Zimmler. Nach nicht turbulenzfreier Vorgeschichte: Eine im Juni geplante Premiere musste wieder abgesagt werde, nach nicht näher ausgeleuchgteten „unvorhergesehenen urheberrechtlichen Problemen“.

Nun also spielt Zimmler si doch noch, die (beinahe) einzige Rolle, und die Regie teilt er sich mit Moritz Reichardt, ansonsten -assistent am Haus. Aus der Kurzgeschichte „Neon in alter Vertrautheit“ machen die beiden ein auch mal anstrengendes – für den Ausübenden wie fürs Publikum – Spiel mit der (Selbst-)Reflexion; den mehrbödigen Text erweitern sie um biografische – oder das gut simulierende – Splitter aus Zimmlers eigenem Ostberliner Aufwachsen.

Weitere Vorstellung: Mi, 24. 11., 20 Uhr, Hamburg, Thalia in der Gaussstraße (2G)

Ein Spiel mit Ebenen bietet auch Nadin Schumachers Bühne: runde, halbtransparente Video-Projektionsflächen (Video: Jonathan Berkau; Kamera: Dino von Wintersdorff), auf denen Zimmler sich vervielfältigt.

Bemerkenswert: Bei alldem kommt etwas überraschend wenig Trübes heraus, eher eine uneindeutige Bitterkeit, ein Grinsen angesichts eines bodenlosen Schlunds. Vielleicht lässt sich diesem Autor gar nicht besser nahekommen.

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