Shakespeares Geburtsstadt: Dichter-Fans über Kinostreifen erbost
Roland Emmerichs "Anonymous" folgt der These, Shakespeare habe sein Werk nicht selbst verfasst. In Stratford-upon-Avon ist man darüber entrüstet und verhüllt aus Protest Shakespeares Statue.
LONDON/STRATFORD-UPON-AVON dpa | "Sein oder nicht sein" - mit Blick auf William Shakespeare beschäftigt diese Frage die Forscher seit vielen Jahren. Mit seinem neuen Film "Anonymus" hat Regisseur Roland Emmerich nun Shakespeares Geburtsstadt Stratford-upon-Avon auf den Plan gerufen. Aus Protest gegen die von Emmerich vertretene These, dass Shakespeare gar nicht selber Autor der ihm zugeschriebenen Werke ist, überklebten Mitglieder des Shakespeare Birthplace Trust am Dienstag Shakespeares Namen auf Straßen- und Pubschildern und verhüllten eine Statue.
Emmerich schlägt sich im Historien-Drama "Anonymus" auf die Seite jener Forscher, die in dem Adeligen Edward de Vere, 17. Earl von Oxford, den wahren Verfasser der Shakespeare-Werke sehen.
Mit der Aktion wolle man darauf hinweisen, welche Gefahr von dem Film ausgehe, weil Laien der "Verschwörungstheorie" darin unbedacht Glauben schenken könnten, hieß es von der Shakespeare-Stiftung. "Shakespeare ist das Herzstück der kulturellen und historischen DNA Englands, und er ist mit Sicherheit unser berühmtestes Exportgut", sagte Paul Edmondson von der Stiftung.
"Dieser Film setzt sich über jegliche Logik der historischen Fakten hinweg, aber es besteht das Risiko, dass Leute, die die Autorschaft von Shakespeare noch nie infragegestellt haben, getäuscht werden könnten." Auch der britische Thronfolger Prinz Charles unterstützt das Anliegen der Stiftung, Shakespeares Namen zu schützen.
"Anonymus" läuft in deutschen Kinos am 10. November an und ist hochkarätig besetzt. Vanessa Redgrave spielt Queen Elizabeth I., Rhys Ifans den Grafen von Oxford. Der Autor selber wird von Rafe Spall dargestellt.
Leser*innenkommentare
Kahnmann
Gast
Grosso modo gebe ich deviant recht.Zu seinen Auslassungen über bildende Kunst( Idiotie der Anhänger, gestammelte Werke, Spritzwurst etc.) möchte ich gelinde mit Loriot sagen: "Das Bild hängt schief." Ein so einzigartiges Bild wie "Guernica" ist durch und durch Picasso, und das nicht, weil da irgendwo sein Schriftzug steht oder wg. irgendeiner angeblichen Idiotie seiner Anhänger. Irgendein Mustermann wäre gar nicht auf die IDEE gekommen, sich solch einer starken Formensprache zu bedienen.
"Ein Künstler ist ein Genie der Mitteilung," sagt Nietzsche. So auch Shakespeare oder Edward de Vere oder wer auch immer. "Shakespeares" Stücke sind, im Gegensatz zu plumpen Fälschungen, in sich abgeschlossen, tragen eine unverwechselbare Handschrift, haben uns in hundert Jahren noch unendlich viel zu sagen, und das in einer faszinierenden Sprache.
Die Frage, wer hinter all dem steht, und sei sie noch so intellektuell begründet oder reißerisch filmisch aufbereitet oder noch so entrüstet zurückgewiesen, wird von dem Werk selbst letzten Endes der Lächerlichkeit preidgegeben werden.
Oder, um es mit Hamlet auszudrücken: Der Rest ist Schweigen.
deviant
Gast
Was ein Schwachsinn!
Die Kontroverse gibt es seit Jahrhunderten; den Versuch, jede nicht absolut affirmative These mundtot zu machen, finde ich extrem bedenklich.
Auch sollten die aufgeschreckten Hühner bedenken: Nur weil sich hinter "Shakespeare" nicht DER William Shakespeare versteckt, sondern jemand anderes, ändert das doch nichts an der Qualität des Werkes oder dessen Einfluss auf die Allgemeinkultur. Nicht einmal der Autor selbst wird dadurch irgendwie beschädigt, es wird lediglich die "Maske Shakespeare" angekratzt.
Dieser Protest ist wohl auch nur vor dem Hintergrund der absoluten Kapitalisierung der Kunst und der völligen Idiotie deren Anhänger zu verstehen, in der jede Spritzwurst auf Leinwand eines Picasso oder Warhol mehr Wert ist, als das epochemachende Meisterwerk eines Hugo Mustermann.
Aber wenn Picassos gestammelte Werke in toto von Hubert Meier stammten, würde immer noch jedes Werk, auf dem "Picasso" stünde, denselben Wert behalten. "Shakespeare" ist insofern längst keine historische Person mehr, sondern eine Marke - und zwar insbesondere für diejenigen, die touristisch seine Leiche und sein Werk fleddern. Der Person Shakespeare, wie sie hier behandelt wird, hat damit aber allerhöchstens rudimentär zu tun.