Streik bei ÖRR in Italien: Zu viel „TeleMeloni“

Der italienische ÖRR-Sender Rai verkommt zum Sprachrohr der Regierung. Eine Journalistengewerkschaft hat deshalb am Montag zum Streik aufgerufen.

Georgia Meloni hebt ihre Arme.

Hat sich viele Türen geöffnet: Georgia Meloni bei der Rai-Sendung „Porta a Porta“, 2024 Foto: IMAGO/IPA/ABACA

ROM Abgespeckt ist noch ein höfliches Wort für die Nachrichtensendungen, die am 6. Mai in Italien die Zu­schaue­r*in­nen des Staatssenders Rai erwarten können. Normalerweise dauert ein „Telegiornale“ rund eine halbe Stunde, und es ist gespickt mit Direktschaltungen zu Kor­re­spon­den­t*in­nen in Tel Aviv oder New York, mit Reportagen von den Kriegsfronten, mit Re­por­te­r*in­nen aus Italiens Regionen und Statements der Po­li­ti­ke­r*in­nen.

Am 6. Mai gibt es stattdessen eine staubtrockene Nachrichtenlesung ohne Bewegtbilder und Live-Schalten, im Vergleich dazu war die „Aktuelle Kamera“ aus den alten DDR-Zeiten richtig lebhaft.

Die zu erwartende Tristesse hat einen Grund. Für Montag hat die Hausgewerkschaft Usigrai alle Nach­rich­ten­jour­na­lis­t*in­nen des Senders zum 24-stündigen Streik aufgerufen. In ihrem Aufruf beklagt Usigrai die „erstickende Kontrolle der journalistischen Arbeit“, die „die Nachrichtensendungen in ein Sprachrohr der Regierung verwandeln“.

Gemeint ist die Rechtsregierung unter der Postfaschistin Giorgia Meloni, die seit Oktober 2022 am Ruder ist. Seit dem Austausch der Senderspitze im Jahr 2023 gibt sie auch in der Rai den Ton an. Ob der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Roberto Sergio, ob der Generaldirektor Giampaolo Rossi, ob die Chefredakteure der Nachrichten: Alle wurden von Melonis Regierungsmehrheit eingesetzt.

Töne des Triumpfs

Und Meloni hat gute Gründe, Vertrauen in sie zu setzen. Giampaolo Rossi zum Beispiel kennt sie seit Jahrzehnten aus gemeinsamen Kampfzeiten, als beide in demselben Ortsverein der postfaschistischen Partei Alleanza Nazionale in Rom aktiv waren. Zu „TeleMeloni“ sei die Rai in den letzten Monaten verkommen, lästern denn auch kritische Stimmen.

Ein Blick in die Nachrichtensendungen der ersten beiden Kanäle gibt dem Vorwurf Nahrung. Die Ministerpräsidentin ist laufend Thema, in den Rai-Nachrichten des letzten Dezembers für geschlagene 300 Minuten, während die Chefin der linksoppositionellen Partito Democratico sich mit 66 Minuten begnügen musste.

Gerne auch sind die Nachrichtentexte über die Regierung im Tone des Triumphs geschrieben. Einen „Rekord“ hat Melonis Team angeblich bei den Zahlen der Beschäftigten in Italien gebrochen, einen Rekord auch bei den staatlichen Gesundheitsausgaben – selbst wenn deren Zuwachs hinter der Inflation zurückbleibt.

Doch auch Angst vor Zensur treibt die Jour­na­lis­t*in­nen um, die etwa dadurch genährt wird, dass vor wenigen Tagen der Erfolgsautor Antonio Scurati aus einem Polit-Talk ausgeladen wurde. Er hatte einen kurzen Monolog zum Umgang des Landes, zum Umgang auch der postfaschistischen Regierung mit der faschistischen Vergangenheit geplant – einen Monolog, bei dem Meloni nicht sonderlich gut wegkam.

Das machen doch alle so

Die Rechte kontert ungerührt, sie schaffe mit ihrem Vormarsch einen „Ausgleich“ gegenüber der bisherigen linken Hegemonie, und überhaupt sei die Rai doch immer unmittelbarer politischer Kontrolle unterworfen gewesen. Da ist was dran. Schon seit den 70er Jahren galt im Staatssender das Prinzip der lottizzazione, der „Parzellierung“. Die damaligen Regierungsparteien, Christdemokraten und Sozialisten, griffen sich die ersten beiden Wellen, Rai3 dagegen wurde schiedlich-friedlich den oppositionellen Kommunisten überlassen.

„Così fan tutti“, antwortet die Meloni-Rechte auf den Vorwurf, sie habe sich die Rai jetzt einfach gegriffen – und auch das ist schwerlich zu bestreiten. Das Gesetz sieht vor, dass die beiden Häuser des Parlaments je zwei Mitglieder des Verwaltungsrats wählen, zwei weitere werden von der Regierung bestimmt, eines von den Beschäftigten des Senders. Damit ist eine Kontrolle des Verwaltungsrats durch die Regierungsmehrheit im Parlament gewährleistet. Der Chef des Verwaltungsrats wird unmittelbar von der Regierung vorgeschlagen – und er kann in eigener Machtvollkommenheit alle wichtigen Personalentscheidungen treffen.

Auch Zensur ist nicht wirklich neu in der Rai. Schon im Jahr 1962 wurde der spätere Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo von den Bildschirmen verbannt, weil er es gewagt hatte, in einer Familienshow über Arbeitsunfälle auf Baustellen zu sprechen. Und im Jahr 1986 war es mit der Bildschirmkarriere des Comedian Beppe Grillo vorbei. In einer Sendung hatte er über die Sozialistische Partei (PSI) gelästert, der der Ruf der Korruption anhaftete.

Silvio Berlusconi wiederum, im Jahr 2001 Regierungschef geworden, ließ nur ein Jahr später zwei prominente Journalisten und einen Comedian aus der Rai werfen, weil sie in ihren Sendungen kritische Fragen zu dem Werdegang des Medien-Tycoons zuließen.

„Erstickende Kontrolle“

Doch mit Meloni habe die politische Kontrolle über die Rai eine neue Qualität erreicht, meint ein Journalist, der beim Nachrichtenkanal Rai News 24 arbeitet und der nur bei Zusicherung von Anonymität redet. Der Chefredakteur seines Kanals sei der Ministerpräsidentin gegenüber nibelungentreu, und er sei innerhalb der Redaktion ein Musterbeispiel für die von der Gewerkschaft Usigrai beklagte „erstickende Kontrolle“.

Am 6. Mai streikt auch er, ohne große Illusionen. Schon in wenigen Wochen stehe die Neubesetzung der Senderspitze an, sagt er, und da habe ausgerechnet der alte Meloni-Intimus Giampaolo Rossi beste Chancen, zum Chef des Verwaltungsrats aufzusteigen.

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