Boo­me­rin­nen vs Millennials: Sind wir Alte besser dran?

Warum es Ba­by­boo­me­r:in­nen besser geht als Millennials. Und warum nicht. Eine Antwort auf Adrian Lobes Artikel „In verschiedenen Welten“.

3 junge Menschen stürzen sich rücklings gut gelaunt in einen Pool

Der Lebensstil der Millennials ist auch nicht gerade tiefstes Elend Foto: getty

Die jüngste Lieferung zum Generationen-Bashing kam direkt aus der taz. Adrian Lobe, jüngerer und geschätzter Kollege, Jahrgang 1988, bezeichnet sich selbst als „Millennial“ und schreibt: „Während viele Senioren in ihren abbezahlten Eigenheimen sitzen und es sich in der Komfortzone ihrer SUVs bequem gemacht haben, blicken die Jüngeren in eine sorgenvolle Zukunft: Klimakatastrophe, Wasserkriege, Pandemien. Niemand kann sagen, ob man in 50 Jahren noch Rente bekommt oder überhaupt auf dem Planeten leben kann.“

Die Reallöhne der Millennials sinken, die Immobilienpreise hingegen steigen und steigen. Die Millennials sind die erste Generation, denen es schlechter geht als ihren Eltern, liest die Boo­me­r:in auch bei Tiktok. Und Lobe schreibt: „In der ‚Abstiegsgesellschaft‘, wo der Fahrstuhl außer Betrieb ist und man die Rolltreppe gegen die Fahrtrichtung hochlaufen muss, ist sozialer Aufstieg kaum möglich.“

Kein SUV, kein Eigenheim, kein sozialer Aufstieg, nicht mal Rente – stattdessen Klimakatastrophe! So sind sie dran, die Millennials. Und wir, die Baby­boo­mer:in­nen, haben es vermasselt. Wir haben das Klima mitruiniert oder jedenfalls nichts dagegen getan. Wenn es höllisch heiß wird mit der Erd­er­wär­mung, werden wir irgendwo im Himmel sein oder im Nirwana. Unsere Immobilie konnten wir noch selbst finanzieren mithilfe hoher Löhne, eigener Ersparnisse plus Bankkredit und günstigen Immobilienpreisen. Wir kassieren üppige Rente, die die Millennials finanzieren durch ihre Beiträge. Und gegen die Rent­ne­r:in­nen sagt niemand was, denn die sind eine große Wählergruppe, das ist politischer Selbstmord, es sich mit denen zu verscherzen.

So ungefähr geht das Anti-Boomer-Narrativ.

Vorsicht, ihr Millies!

Jetzt mal zur Klarstellung: Als Ba­by­boo­me­r:in­nen bezeichnet man in der Statistik die Generation der geburtenstarken Jahrgänge vor dem sogenannten Pillenknick. In Deutschland sind das kriegsbedingt die zwischen 1955 und 1969 Geborenen, also die heute 54- bis 68-Jährigen. Wer 55 ist, hat aber noch zwölf Jahre bis zur Rente, und was dann sein wird, weiß man jetzt auch noch nicht so genau. Vorsicht mit den Kategorien, ihr Millies!

Zu den „Millennials“ zählen per definitionem die zwischen 1981 und 1995 Geborenen, die heute 27- bis 42-Jährigen. Ihr seid auch nicht mehr superjung, also macht nicht so auf jung mit 35! Mit 35 hat sich die heute 66-jährige Ba­by­boo­me­r:in schon sehr alt gefühlt. Euer Lebensstil mit Avocado-Toast, Tofu-Würstl, Fernreisen mit atmosfair-Beitrag und einer kassenfinanzierten Psychotherapeutin, die euch geduldig zuhört – das ist auch nicht gerade tiefstes Elend.

Erben oder Nichterben

Aber es stimmt natürlich, die Immobilienpreise sind explodiert, vor allem in den angesagten Städten. Alle wollen in den Metropolen wohnen, ihr auch. Dort möglichst im dorfähnlichen Kiez mit viel Grün drumherum. Deswegen sind die Preise für Eigentum in den Städten auch so hoch. In der Altersgruppe der Millennials besitzen viel weniger Leute eine eigene Immobilie als in derselben Altersgruppe 20 Jahre zuvor, hat auch das Institut der Deutschen Wirtschaft festgestellt.

Eine Immobilie kaufen oder am Stadtrand bauen, das können heute fast nur noch Erben, weil man schon 150.000, 200.000 Euro als Eigenkapital mitbringen muss, wenn man in einer Metropole eine Familienwohnung erwerben will. Erben oder Nichterben – das ist in der Tat ein Riesenthema bei den Millennials. Die zu erwartenden Erbschaften betragen erst im reichsten Fünftel im Mittel 250.000 Euro, sagt die Hans-Böckler-Stiftung. Chancengleichheit sieht anders aus.

Nicht so viel Solidarität

Anstatt auf die Alten zu schimpfen, könntet ihr doch einfach für eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und für eine Vermögenssteuer kämpfen, für ein bisschen mehr Umverteilung! Aber da werdet ihr leise, ihr Millies. Eine höhere Erbschaftssteuer, das könnte ja einige von euch empfindlich treffen. Deshalb sieht es auch nicht so gut aus mit der Solidarität innerhalb eurer Generation. Es ist einfacher, die Alten zu bashen.

Auch bei den Ba­by­boo­me­r:in­nen spielt übrigens die Kluft zwischen Erben und Nichterben eine große Rolle. Denn viele von uns hatten gar nicht viele Jahrzehnte lang so einträgliche Jobs, dass wir alleine mit unseren Löhnen eine Immobilie oder einen großzügigen Ruhestand hätten finanzieren können.

Euch rollt man den roten Teppich aus

Womit wir beim Arbeitsmarkt wären. Hey, ihr Millennials, zu Zeiten der Massenarbeitslosigkeit habt ihr noch auf dem Schulhof euren Tamagotchi gefüttert und euch mit Yu-Gi-Oh-Karten duelliert. Damals, in den 80er, 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als wir Boo­me­r:in­nen so alt waren wie ihr heute, ging das Gespenst der Massenarbeitslosigkeit um. „Dr. Arbeitslos“ hießen in Westdeutschland Aka­de­mi­ke­r:in­nen mit unsicherer Jobperspektive. Von einer „Ingenieursschwemme“ war die Rede, als Unternehmen massenhaft Stellen abbauten. Für die Ostdeutschen war es nach der Wende besonders schlimm. Wir hatten solche Zukunftsangst. Um uns selbst, zugegebenermaßen.

Ihr Millennials hingegen, jedenfalls, wenn ihr so um die 30 seid: Euch rollt man den roten Teppich aus. Ihr seid Goldstaub. Ihr könnt im Bewerbungsgespräch irgendwas von „Work-Life-Balance“ erzählen und dass ihr gerne vier Tage in der Woche im Homeoffice arbeiten wollt. Und dann verzieht der Arbeitgeber nur ein ganz kleines bisschen die Miene und sagt aber trotzdem: Yes. Weil sich überhaupt nur drei Leute auf seine Anzeige gemeldet haben. Und ihr rührt euch dann nicht mehr, weil ihr noch was Besseres gefunden habt.

Demütigungen für Frauen

Wir hingegen erlebten damals Demütigungen, besonders die Frauen. 34 Jahre alt und kinderlos? Die wird bestimmt sofort schwanger und kostet dann nur, die nehmen wir nicht! Die 66-jährige Babyboomerin kennt Frauen, die damals im Bewerbungsgespräch mit 35 Jahren ungefragt beteuerten, sie wollten auf keinen Fall Kinder, sie wären gar nicht der Mutti-Typ. Nur um ihre Chancen auf Einstellung zu verbessern. Kann man sich heute nicht mehr vorstellen? Eben.

Aber Schluss mit dem Ba­shing. Auf Tiktok macht sich die Generation Z, die nach 1996 Geborenen, schon lustig über das Selbstmitleid der Millennials, die sich immer überfordert fühlen. Wir Ba­by­boo­me­r:in­nen haben Verständnis. Wir wollen ja auch Verständnis, für uns. Nein, wir möchten nach 30 Jahren nicht aus unserer Nachbarschaft wegziehen, wenn unsere Wohnungen ein bisschen groß geworden sind. Und nein, wir können nichts dafür, dass wir so lange leben, oder sollen wir Massen-Seppuku begehen am 70. Geburtstag?

Wir könnten uns doch ein bisschen zusammentun, ihr Millennials und wir Boomer. Auch ihr werdet lange leben, jedenfalls die meisten von euch. Auch unter euch wird es später reiche alte Menschen geben, die eigentlich was abgeben könnten. Und klar, ihr braucht Zuwanderung, damit jemand später eure Rente bezahlt. Brauchen wir auch. Auch wir wollen nicht, dass die Welt endet, schon wegen der Enkel nicht. So weit liegen wir doch gar nicht auseinander. Also.

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