Ein jaulender Hund

Hund, jaulend Foto: Nailia Schwarz/imago

Polemischer Blick auf den Hund:Böses Kläffen

Hunde können nett sein. Aber sie sabbern nicht nur, sie schaden der Umwelt. Sieben entschiedene Absagen an ein Anti-Tier.

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21.8.2023, 10:35  Uhr

Den ersten Punkt, man kennt ihn: Er tut nichts! Von wegen. Die Aussage, dass er ja nur spielen wolle – kennen Hunde den Unterschied zwischen Spiel und Ernst? – und dass man also keine Angst haben müsse, weil er, also der Hund, ja nichts tue, ist eine Aufforderung, sich dessen Spieltrieb zu fügen. Sie ist unterlegt mit einer angedeuteten Drohung – Wer ihn nicht spielen lässt, genauer: wer sich weigert, sein vermeintliches Spiel mitzuspielen, dem tut er womöglich eben doch etwas.

Überhaupt, dieses Nichtstun: Es erscheint, genau besehen, seltsam geschäftig. Der Hund, der angeblich nichts tut, wedelt. Er hechelt. Er sabbert. Immer riecht er und stinkt, wenn es regnet. Er springt, freudig erregt, weil er ja nur spielen will, sein Opfer an. Er stellt sich auf die Hinterbeine, setzt seinem Gegenüber die Vorderläufe auf Oberschenkel, Unterbauch, Brust, je nachdem wie groß es und wie groß er ist. Wenn es nur ein Kind ist, das gar nicht unbedingt mit ihm spielen wollte, schmeißt er es sogar um. Er fletscht, sabbert, leckt, furzt, tollt, knurrt, kläfft, bellt. Er winselt. Ist das etwa nichts?

2.) Hunde sind Waffen und Werkzeuge. Selbstverständlich ist es eine enorme kulturelle Leistung, Wölfe angelockt, abhängig gemacht und für die eigenen Zwecke, die schnellere Fortbewegung und die effizientere Jagd zurechtgemeißelt zu haben, vor annähernd 20.000 Jahren. Zu Recht bewundern wir in Museen mühselig behauene Feuersteinkeulen, Schleudern oder Schlitten als Zeugnisse des menschlichen Ingeniums.

Und doch würde man mit gutem Grund einer Person einen Vogel zeigen, die mit Pfeil und Bogen durch die Stadt pirscht oder einen Faustkeil im Gürtel trägt, und über sie sagen: Die spinnt. Die ist doch offenkundig gestört. Bei Hundehaltern sagt man das zwar nicht. Aber nur, weil es so viele sind.

3.) Dass Hundehalter tierlieb wären, ist ein Irrtum. Als naturfernes, zurechtgemachtes, in einen Funktionszusammenhang gepresstes Wesen ist der Hund ein Kultur- und Konsumgut, dem seine Naturhaftigkeit und Wildheit geraubt wurde. Obendrein ist ihm in den Industriegesellschaften weitestgehend der Funktionszusammenhang abhanden gekommen, der seinen Sinn konstituiert hatte. Ein Hund ist insofern die Karikatur eines Tiers, hier des Wolfs, der darum umso intensiver gehasst wird – mein Verdacht: besonders von Hundehaltern.

Ich persönlich habe sogar schon Hunde nett gefunden und gestreichelt, aber das, was da durch ihre Herrchen als Objekt der Liebe herhalten muss, ist eher Anti-Tier als Tier: In ihm hat das Prinzip Gestalt angenommen, sich die Erde untertan zu machen, das sich mittlerweile als sicherer Weg in ihre Verwüstung erwiesen hat. Hunde zu halten bedeutet insofern statt Tier- oder gar Naturliebe, ihre Unterwerfung und Zerstörung zu feiern.

4.) Hunde schaden der Umwelt. Als sinnloses Werkzeug – Waffe, Alarmanlage, Transportmittel – fällt die Umweltbilanz des Hundes ins Gewicht. Sie ist schlecht. Ein Auto, mit dem niemand fährt und das nichts transportiert, hat keine nennenswerten Schadstoffausstoß. Eine historische Waffe, die im Zeughaus bewundert werden kann, auch nicht.

Ein nutzloser Durchschnittshund von 15 Kilo Körpergewicht hingegen verursacht laut einer 2020 im peer-reviewten Fachjournal Sustainability veröffentlichten Studie der Technischen Universität Berlin im Laufe von 13 Jahren – also der gemittelten Lebenszeit – 8,2 Tonnen CO2-Equivalent. Das entspricht jährlich drei Flugreisen von Stuttgart nach Rom und zurück.

Die Umweltverschmutzung durch Phosphor und Nitrat hat ein Team um Pieter de Frenne aus Gent in einer Feldstudie noch einmal genauer untersucht. Seine vergangenes Jahr in Ecologogical Solution and Evidence publizierten Ergebnisse sind niederschmetternd: Im Schnitt hinterließ jeder Hund im Laufe eines Jahres auf der beobachteten Fläche eines stadtnahen Erholungsgebietes 11 Kilogramm Stickstoff und 5 Kilogramm Phosphor pro Hektar.

Zwar lassen sich die Phosophor-Einträge durch Kotbeutel immerhin fast ganz vermeiden und die Stickstoffimmissionen wenigstens halbieren. Aber die Beutel sind auf ihre Weise ja auch irgendwie Kacke: Auch wenn nur die wenigsten sie wie ein durchgeknallter Ballettdirektor in Hannover nutzen, um – Anfang des Jahres hat die Aktion Schlagzeilen gemacht – endlich einmal etwas gegen eine Kritikerin in der Hand zu haben, entschärfen sie nur das akute Kotproblem. Sie verhindern aber das Verrotten der Ausscheidungen und erhöhen den Mikroplastikanteil.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Bleibt die Entsorgung über den eigenen Misthaufen, von der wegen des Geruchs und aus hygienischen Gründen abgeraten wird. Verdauungsreste von Fleischfressern entwickeln nun mal beim Kompostieren zu niedrige Temperaturen, sodass schädliche Bakterien und Nematoden im Humus erhalten bleiben. Muss halt jeder selbst wissen, ob er gerne Würmer hat.

5.) Hunde sind arm dran. Als per se gequälte Kreatur verdient jeder Hund Mitleid und Zuneigung. Aber auch Abscheu, weil er sich geduldig prügeln lässt und eben nur den Schwanz einkneift.

Im Talmud tritt der Hund folgerichtig als zugleich ärmstes und verächtlichstes Tier in Erscheinung. Miguel de Cervantes lässt seinen Hund Berganza feststellen, dass dem Zustand des Glückes für ihn und seinen Gesprächspartner, die Dogge Cipión, am ehesten dann erreicht sei, wenn „Elend und Unglück lange und fortgesetzt auf uns einströmen“. Diese Unterwürfigkeit, dieses Fügen unter jede Befehlsgewalt, ohne deren Gerechtigkeit einzufordern, dieser Verzicht auf Rebellion – das ist, was Hunde verkörpern.

Hund mit Regenschutz an der Leine

Bitte, der arme Hund Foto: Imago

6.) Hunde sind ein Medium des Rassismus. Während das Konzept der Rasse seit Langem biologisch-zoologisch ruiniert ist, überwintert es in der Hundezucht. Von Affenpinscher bis Zwergspitz werden diese Tiere in edle oder weniger edle Rassen mit vermeintlich angeborenen guten und schlechten Eigenschaften eingeteilt.

Wie der Kulturhistoriker Amir Zelinger nachgewiesen hat, hat die Wahrnehmung von Tierrassen den Aufstieg rassistischer und eugenischer Weltanschauungen zumal gefördert. Die Hundezüchtervereine im wilhelminischen Kaiserreich sind der Ort, an dem die damals neue Rassenlehre zum Allgemeingut wird, zum Jedermannswissen über die Ordnung der Natur. Diese tödliche Ideologie bleibt im Denken des Hundefreunds verankert, ihre zynischen Wertungen sind gültige Prinzipien der Zuchtpraxis, deren Einhaltung der Zuchtwart kontrolliert.

Altehrwürdigkeit der Rasse? Ein Qualitätsmerkmal. Reinheit des Blutes? Erstrebenswert. Mischlinge? Minderwertig. Werden im Zweifel euthanasiert.

Die Zahl

Jahrelang wuchs zuletzt die Zahl von Hunden in deutschen Haushalten: Ab 2014 stieg sie konstant an, auf 10,7 Millionen Hunde taxierte sie eine Studie des Industrieverbands Heimtierbedarf und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands Ende des Jahres 2020. Da war das erste Pandemiejahr gerade vorbei, massenhaft schafften sich in diesem Jahr Menschen einen Hund an – Ende 2019 waren es noch 600.000 weniger. In Relation zur Einwohnerzahl sind es allen voran Hamburg und Bremen, in denen nun die meisten Hundehalter leben. In Hamburg kommen mehr als 16.000 Halter auf 100.000 Menschen, in Bremen sind es fast 15.000. Schlusslicht ist Rheinland-Pfalz mit weniger als 10.0000 Halter:innen. Ohnehin sind im Süden Hunde im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger verbreitet: Auch Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und das Saarland stehen im bundesweiten Ranking weit unten.

Die Steuer

Hinweise darauf, dass die Höhe der lokalen Hundesteuer Einfluss darauf hat, ob sich Menschen einen Hund anschaffen, gibt es nicht: Bundesweit können Kommunen über die Hundesteuer als „örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuer“ eigenständig entscheiden. Gefordert wird sie in Städten in der Regel pro gehaltenen Hund und liegt pro Jahr zwischen 60 Euro, wie etwa in Weimar, und knapp 200 Euro, wie etwa in Mainz. Hamburg mit 90 Euro und Bremen mit 150 Euro liegen da im Mittelfeld. Diese Höhen aber gelten nur für den ersten Hund, beim zweiten müssen Halter in der Regel deutlich mehr zahlen. 240 Euro sind es dann beispielsweise in Hannover. Teuer wird es meistens bei sogenannten Listenhunden, gemeinhin Kampfhunde genannt. Berlin verlangt dafür 840 Euro, Frankfurt am Main sogar 900 Euro. Deutlich günstiger ist die Hundehaltung meist in ländlichen Regionen. In manchen bayerischen Kommunen liegt die Höhe der Hundesteuer für den ersten Hund nur bei 12 Euro.

Der arme Hund

Was Tierschutzvereine schon während des Hundebooms in der Pandemie befürchtet hatten, tritt besonders in diesem Sommer ein: Viele, die sich einen Hund angeschafft hatten, wollen ihn nach einiger Zeit nicht mehr. Schon 2022 war die Zahl der Haustierhunde wieder zurückgegangen, erste Tierheime meldeten deshalb Engpässe. In den gerade noch laufenden Sommerferien in Bremen und Hamburg haben die Tierheime nun einen Annahmestopp verhängt, teilweise sogar, wenn es sich um Notfälle handelt. „Wir haben die Sommerferien, nach den Coronajahren möchten die Leute wieder gerne in den Urlaub fahren – und die armen Tiere landen dann hier im Tierheim“, sagte etwa die leitende Ärztin des Hamburger Tierheims. Doch gebe es nun keine freien Plätze mehr. Normalerweise würden etwa im Kieler Tierheim rund 180 bis 200 Tiere pro Tag versorgt. Aktuell sein es knapp 350. Bundesweit fordern Tierheime deshalb eine bessere Ausstattung: Der Betrieb der bundesweit rund 550 Tierheime ist laut des Deutschen Tierschutzbundes finanziell kaum mehr durchzuführen. André Zuschlag

7.) Mit einem Hund erfüllen sich Halter den Wunsch zu kommandieren. Auch ohne die pathologische erotische Dimension zu thematisieren oder aber die Kläglichkeit, die zum Ausdruck kommt, wenn ein serviler Hund als Surrogat einspringt für eine ernste zwischenmenschliche Bindung, die einfach nicht gelingen will, bleibt das Frau- oder Herr-Hund-Verhältnis immer durch das Dominanzgebaren bestimmt. Also prekär.

Mops an der Leine streckt die Zunge raus

Hundehaltung aber fungiert im besten Fall als ein Ventil der Herrschsucht Foto: Michael Gstettenbauer/dpa

Eine echte Beziehung, Tier-Mensch oder Mensch-Tier, würde auf wechselseitigen Respekt und wahrer Zuneigung gründen. Hundehaltung aber fungiert im besten Fall als ein Ventil der Herrschsucht, das erspart, sie durch Selbstreflexion in den Griff zu bekommen.

Die Erfahrung lehrt aber: Ebenso häufig trainiert sie autoritäre Verhaltensmuster. Laute Stimme. Befehlston. Die Anmaßung, zu loben und zu strafen. An der Leine ziehen. Den Deckakt verhindern. Mit dem bellenden und zähnebleckenden Hund den Freiraum besetzen. Radler und Passanten mit ihm einschüchtern. Seine Übergriffigkeit leugnen: Er tut nichts.

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