Umgang mit der AfD in Thüringen: Noch mehr Risse in der Brandmauer

In Thüringen droht der nächste Tabubruch: Nach der Grunderwerbssteuer könnte die CDU auch das Vergaberecht mit Hilfe der rechtsextremen AfD ändern.

Lachende Abgeordnete im Landtag

Vorfreude, schönste Freude: Die Thüringer AfD-Fraktion nach der Abstimmung zur Grunderwerbssteuer Foto: Martin Schutt/dpa

BERLIN taz | Nachdem die Thüringer CDU mit Hilfe von AfD und FDP eine Senkung der Grunderwerbssteuer gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung durchgesetzt hat, könnten weitere Gesetze nach dem gleichen Muster den Thüringer Landtag passieren. Jetzt setzt die CDU die rot-rot-grüne Regierung unter Bodo Ramelow (Linke) mit einem Entwurf zur Änderung des Vergaberechts unter Druck.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Martin Henkel forderte die Regierung auf, aktiv an einem modernen Vergabegesetz mitzuarbeiten. Ein Vorschlag der CDU liege auf dem Tisch, für diesen werde man nun intensiv werben. Henkel hatte am Montag auf Instagram angekündigt: „Die von uns durchgesetzte Senkung der Grunderwerbssteuer war nur der erste Schritt. Wir fordern von der Landesregierung weitere Maßnahmen für mehr Wachstum und Bürokratieabbau.“

Das von der rot-rot-grünen Landesregierung 2019 beschlossene Vergaberecht für Aufträge der öffentlichen Hand kritisiert die CDU als zu bürokratisch und dringt etwa auf eine „Verschlankung sozialer und ökologischer“ Kriterien. Auch die aktuelle Koalition will das Vergaberecht überarbeiten, aber auf keinen Fall eine „Schleifung von ökologischen und sozialen Standards“. Sie hat einen eigenen Entwurf vorgelegt. Doch fehlen Rot-Rot-Grün seit 2020 vier Stimmen im Landtag zur Mehrheit.

Kommt es auf einer der nächsten Landtagssitzungen im November oder Dezember also wieder zum Showdown, wird die CDU erneut auf eine oppositionelle Mehrheit unter Einschluss der rechtsextremen AfD setzen? „Ich traue der CDU in Thüringen mittlerweile alles zu“, so der Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Steffen Dittes, gegenüber der taz. Natürlich könne man sich im Vorfeld verständigen. „Wir reden seit 2020 mit der CDU, es ist absurd zu behaupten, wir würden keine Kompromisse schließen.“

Kursänderung nach rechts

Doch Dittes sieht einen grundlegenden Strategiewechsel in Thüringen. „Die CDU ist nicht mehr nur bereit, Kompromisse mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung zu schließen, sondern sucht auch eine regierende Mehrheit mit der Opposition.“ Dittes warnt: „Damit macht die CDU eine extrem rechte Partei wie die AfD zum Macht- und Gestaltungsfaktor.“

Ein weiterer von der CDU eingebrachter Gesetzentwurf dürfte ebenfalls Beifall der Rechten finden. So möchte die CDU „Gendersprache“ an Schulen und in der Verwaltung verbieten lassen. Ob die FDP hier zustimmt, ist allerdings fraglich. Der Gesetzentwurf zur Gendersprache sei Teil eines von rechts geführten Kulturkampfes, so Dittes. „Doch der eigentliche Strategiewechsel der CDU vollzieht sich an grundsätzlicheren Themen.“

Sorgen bereitet dem Linkenfraktionschef vor allem die Diskussion über den Landeshaushalt, der im Dezember beschlossen werden soll. Hier habe die CDU in der Vergangenheit Vorschläge zur Kürzung von Demokratieförderprogrammen, Inklusion, Integration und Arbeitsmarktförderung eingebracht. „Die Frage ist,“ so Dittes, „ob die CDU bereit ist, gerade in diesen wichtigen Bereichen eine Koalition in der Opposition gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden.“

Experimentierfeld für AfD-Tolerierung

Dittes warnte angesichts des fehlenden Widerspruchs aus der Bundes-CDU davor, „dass Thüringen zum Experimentierfeld werden könnte, um von der AfD tolerierte Minderheitsregierungen vorzubereiten.“

Das befürchtet auch der Thüringer SPD-Fraktionschef Matthias Hey in Zeit Online. „Was wir hier in Thüringen und anderen Teilen Ostdeutschlands erleben, ist doch nur die Ouvertüre für ganz Deutschland.“

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