Streit um Bundesetat: Was im Haushalt zu kurz kommt

Endlich liegt eine Einigung zu den Staatsfinanzen auf dem Tisch. Die Opposition kritisiert Kürzungen, Grüne sprechen von „schmerzhaften Einsparungen“.

Menschen tragen Solarmodule

Bitte Investitionen in die Zukunft statt Spardiktat, empfehlen auch viele Ex­per­t*in­nen: Aufbau von Fotovoltaikanlagen in Berlin Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Die Kürzungsschlacht ist geschlagen, Deutschland hat einen Bundeshaushalt für das laufende Jahr. Zumindest schon fast: Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat sich am Donnerstagabend in einer sogenannten Bereinigungssitzung auf einen Etat von 476,8 Milliarden Euro geeinigt. Das gilt als entscheidend, die Zustimmung des restlichen Parlaments sowie des Bundesrats steht aber noch aus.

Die Opposition stichelt. „Ein valides Zahlenwerk als Grundlage ist Fehlanzeige“, sagt Christian Haase, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion. „Änderungen wurden im Tagesrhythmus vorgenommen. Das ganze Verfahren ist eine Farce.“ Das Ergebnis hält er für ein „Potpourri von Belastungen für Bürger und Unternehmen“.

Haases Unionsfraktion war am Ablauf der Haushaltsverhandlungen allerdings nicht ganz unbeteiligt: Sie hatte vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die ursprüngliche Planung geklagt. Die Konservativen beanstandeten, dass die Bundesregierung Staatsschulden, die sie ursprünglich für den Umgang mit der Coronapandemie aufnehmen wollte, mangels Bedarf einfach umgewidmet hatte. Das Geld sollte stattdessen in den Klima- und Transformationsfonds des Bunds fließen. Die Union sah die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verletzt.

So sahen das im November auch die Karlsruher Rich­te­r*in­nen. Und die Ampelkoalition hatte plötzlich mit einem Milliardenloch zu kämpfen. Aus dem Klima- und Transformationsfonds bezahlt sie nämlich alle möglichen Projekte von Wärmepumpen-Förderung bis Chipfabrik-Subvention. Nun musste Hals über Kopf ein neuer Plan her. Versuchen, die Schuldenbremse auszusetzen wie schon zu Corona­zei­ten? Steuern erhöhen, um das Budget auch ohne neue Schulden zu erhöhen? Die FDP um Bundesfinanzminister Christian Lindner sperrte sich gegen beides. Übrig blieb: weniger ausgeben. Insgesamt fehlten 17 Milliarden Euro.

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Auch die Grünen haben Kürzungsschmerzen

Von „schmerzhaften Einsparungen“ sprach Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler am Freitag. Beispielsweise soll nun weniger Geld in neue Radwege fließen. Außerdem sind beim Bürgergeld verschärfte Sanktionen geplant, wenn auch erst mal auf zwei Jahre befristet. Auch der Bundeszuschuss an die Rentenversicherung wird gekürzt. Mehrere Linken-Politiker*innen kritisierten den Haushalt deshalb als unsozial. Parteichef Martin Schirdewan sprach von einem „Konjunkturprogramm für Demokratiefeinde“.

Was die Linken unter anderem stört: Das Klimageld für Bür­ge­r*in­nen rückt durch den Sparkurs weiter in die Ferne, obwohl der Koalitionsvertrag ein solches vorsieht. Dessen Idee: Die Staatseinnahmen durch steigende CO2-Preise werden durch die Anzahl der Menschen in Deutschland geteilt – und je­de*r bekommt dieselbe Menge Geld überwiesen. Damit würde klimafreundliches Verhalten belohnt und entsprechend in vielen Fällen Haushalte mit wenig Einkommen. Doch das CO2-Geld ist verplant, landet im klammen Klima- und Transformationsfonds. Lindner hatte dem Klimageld für diese Legislaturperiode kürzlich eine Absage erteilt.

Unzufrieden ist auch der Deutsche Bauernverband. Seine Drohung, die Treckerproteste wieder aufleben zu lassen, sofern der Bund den Land­wir­t*in­nen nicht weiter teilweise den Agrardiesel bezahlt, hat nicht verfangen: Es bleibt dabei, dass der klimaschädliche Kraftstoff nach und nach nicht mehr staatlich unterstützt wird.

Etwas mehr Spielraum als gedacht gab es zum Schluss allerdings doch: Aus dem vergangenen Jahr sind nämlich etwa 6,3 Milliarden Euro übrig. Durch das Polster muss die Bundesagentur für Arbeit nun nicht 1,5 Milliarden Euro an den Bund zahlen. Außerdem will die Regierung 1 Milliarde Euro zusätzlich in klimafreundliche Neubauten stecken. 2,7 Milliarden Euro fließen zudem in den Wiederaufbau des Ahrtals.

Ein Aussetzen der Schuldenbremse hält sich die Ampel weiter offen – nämlich für den Fall, dass die Ukraine stärkere Unterstützung in der Verteidigung gegen Russlands Angriffskrieg braucht. Beispielsweise die Ex­per­t*in­nen vom Industrieländerklub OECD empfehlen ohnehin flexiblere Regeln bei der Schuldenbremse. Sie haben weniger Angst vor einer Überschuldung als davor, dass Deutschland einem erheblichen „Investitionsbedarf für die ökologische und digitale Transformation“ nicht nachkommt. Das attestierten die OECD-Marktwirtschaftsfans der Bundesregierung im vergangenen Jahr in einem Bericht.

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