Israelische Geiseln: Videoterror aus Gaza

Die Hamas hat neue Videos von Verschleppten veröffentlicht. Medizin für Geiseln und Hilfsgüter für Zi­vi­lis­t*in­nen erreichen den Gazastreifen.

Menschen gehen durch einen Tunnel

Als Akt der Solidarität gemeint: Tunnelsimulation in Tel Aviv soll an die festgehaltenen Geiseln in Gaza erinnern Foto: Leo Correa/ap

JERUSALEM taz | Ein junger Mann im Sweatshirt spricht auf Hebräisch in die Kamera: „Zweimal wurde ich im Stich gelassen: Als wir in Be’eri nicht beschützt wurden und als sie uns nicht nach Hause geholt haben“. Es ist Itay Sivirsky, der am 7. Oktober von der Terrororganisation Hamas aus dem Kibbuz Be’eri in Südisrael in den Gazastreifen entführt wurde. In dem Video wendet er sich an Israels Regierungschef: „Netanjahu, bitte – beende den Krieg.“

Am Montagabend veröffentlichte die Hamas das knapp dreiminütige Video. Es zeigt neben Sivirsky zwei weitere israelische Geiseln: Noa Argamani, die auf dem Supernova-Musikfestival entführt wurde, und Yossi Sharabi, der wie Sivisrky in Be’eri in die Gewalt der Hamas gebracht wurde. In kurzen, schnell hintereinander geschnittenen Clips berichten sie, dass es an Essen und Wasser mangele, dass die Situation in Gaza immer gefährlicher werde. Das dreiminütige Video ist die lange Version eines kurzen Videos, das bereits am Sonntagabend publiziert wurde und mit dem Hinweis endete: „Morgen informieren wir über ihr Schicksal.“

Zunächst wirkt es in dem am Montag publizierten Video, als seien alle drei am Leben. Doch dann berichtet Argamani: Das Gebäude, in dem sie und die beiden anderen festgehalten wurden, sei von Israel bombardiert worden. Sharabi habe den Angriff nicht überlebt. Sie und Sivirsky seien daraufhin verlegt worden, und während des Transports habe es einen weiteren Luftschlag gegeben, bei dem Sivirsky getötet worden sei. Sie selbst habe noch Schrapnelle im Körper. In dem Video wirkt Argamani äußerlich unversehrt.

Das Video endet mit Aufnahmen, die wohl die Körper der beiden getöteten Männer zeigen. Keines der aneinander geschnittenen Kurzvideos lässt sich zeitlich zuordnen. Ein Sprecher des israelischen Militärs (IDF) widersprach am Montag der Darstellung der Hamas: Das Gebäude sei kein Ziel der IDF gewesen. Der Tod der beiden wurde aber am Dienstag vom Kibbuz Be’eri bestätigt.

Psychologische Kriegsführung

Es ist nicht das erste Mal, dass die Hamas Geiseln – davon ist auszugehen – zwingt, zu Israels Regierung zu sprechen: Schon im Oktober forderten drei Geiseln die Regierung in einem von der Hamas veröffentlichten Video auf, ihre Freilassung zu erwirken. Damals zeigten die meisten israelischen TV-Sender das Video – auf Bitten der Angehörigen – nicht. Im Dezember veröffentlichte die Hamas ein weiteres Video. Auch der Palästinensische Islamische Dschihad veröffentlichte ein Video eines Festgehaltenen.

Der katarische TV-Sender Al Jazeera zeigte das Video von Argamani, Sivirsky und Sharabi am Montag in voller Länge. Viele israelische Medien entschieden sich gegen eine Ausstrahlung. „Psychologische Kriegsführung“ nannte der TV-Sender i24 News aus Tel Aviv die Veröffentlichung der Videos durch die Hamas.

Mit dieser sollen Meinung und Emotionen des Gegners beeinflusst werden. Der durch die Geiseln vorgebrachte Vorwurf – dass die Regierung nicht genug für deren Freilassung tue – ist einer der großen Streitpunkte innerhalb der israelischen Gesellschaft.

Insgesamt sollen sich nach IDF-Angaben noch 132 Geiseln in Gaza befinden. 105 waren im November während einer Waffenruhe freigelassen worden, vier bereits zuvor. Eine weitere Geisel wurde von israelischen Truppen gerettet. Die IDF bargen außerdem die toten Körper von acht Entführten, drei weitere wurden von israelischen Truppen selbst erschossen.

Mindestens ein Drittel der Geiseln, die sich weiterhin im Gazastreifen befinden, ist nach Angaben des Forums der Familien der Geiseln dringend auf Medikamente angewiesen, darunter zwei Kleinkinder und ältere Menschen. Am Mittwoch sollten nach einer Einigung zwischen Israel und der Hamas Medikamente für die Geiseln sowie humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen auf den Weg gebracht werden.

Die Medikamente und die Hilfsgüter würden in die ägyptische Stadt al-Arisch „an Bord von zwei Flugzeugen der katarischen Streitkräfte für den Transfer in den Gazastreifen“ geliefert, sagte Katars Außenminister und Regierungschef Abdulrahman Al Thani. Über die Einigung war unter Vermittlung Katars und Frankreichs wochenlang verhandelt worden. (mit Agenturen)

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