Lobbyismus bei der FDP: Steuerexpertin liefert doppelt

Einfluss auf Steuerpolitik? Lobbycontrol sieht Interessenkonflikte einer FDP-Referentin im Bundestag. Die Fraktion erkennt darin kein Problem.

Der leere Plenarsaal des Deutschen Bundestages ist von der Fraktionsebene aus zu sehen

Manchmal verschwimmen Grenzen zwischen Lobbyismus und Politik: der leere Plenarsaal des Deutschen Bundestags Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Am 10. November 2023 beschließt der Bundestag die Einführung der globalen Mindeststeuer, die es multinationalen Konzernen etwas schwerer machen soll, Steuern zu vermeiden. So schreibt es eine EU-Richtlinie vor, die Bundesregierung hat bei der Umsetzung keinen Spielraum. Dem FDP-Abgeordneten Maximilian Mordhorst ist es während der Debatte aber wichtig zu betonen, dass die deutschen Vorgaben nicht über die EU-Richtlinie hinausgehen, auch wenn „die ein oder anderen Ideologen“ das gefordert hätten. Dann zählt der FDP-Abgeordnete auf, welche Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen das Gesetz ebenfalls enthalte, etwa, um den bürokratischen Aufwand zu verringern.

Über Erleichterung bezüglich der globalen Mindeststeuer spricht vier Wochen später auch Julia Bossmann. Bei einem ­Webinar für Unternehmen erzählt sie, wie bei dem internationalen Lieferdienstkonzern Delivery Hero auf die Vorgaben geblickt wird und welch „große Erleichterung“ es gewesen sei festzustellen, dass das Gesetz Regelungen enthält, die den Aufwand für die Unternehmen reduzieren.

Julia Bossmann ist nach eigenen Angaben bei Delivery Hero für die Gestaltung der globalen Steuerpolitik verantwortlich. Auf ihrem Profil bei dem Kar­rie­renetzwerk LinkedIn zählt sie auf, dass dazu auch die „Vertretung der Unternehmensinteressen in Gesetzgebungsverfahren“ gehöre. Im Lobbyregister des Deutschen Bundestags wird sie als eine von fünf Angestellten von Delivery Hero geführt, die „unmittelbar Interessensvertretung ausüben“.

Der Zugang zum Bundestag sollte für Julia Bossmann seit letztem Sommer deutlich einfacher geworden sein. Denn seitdem ist sie nicht mehr nur für Delivery Hero, sondern auch für die FDP-Bundestagsfraktion tätig – als steuerpolitische Referentin. Als solche ist sie direkt an Steuergesetzgebungsverfahren beteiligt, nimmt an vertraulichen Besprechungen teil und weiß, was im Bundestag hinter verschlossenen Türen debattiert wird.

FDP-Fraktion sieht absolute Transparenz

Kein Problem, findet die FDP-Fraktion. Julia Bossmann sei „nicht im Bereich des politischen Lobbyings tätig“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer Torsten Herbst auf taz-Anfrage. Ihr Eintrag im Lobbyregister sei freiwillig erfolgt, um „absolute Transparenz gegenüber ihrem Arbeitgeber und der Öffentlichkeit herzustellen“. Zudem sei Steuergesetzgebung immer allgemeingültig, „weder ein spezifisches Unternehmen noch eine spezifische Person wird dadurch bevorzugt“.

Aus Sicht der Initiative Lobbycontrol überzeugt diese Stellungnahme nicht. „Zum Lobbyregister gibt es klare gesetzliche Vorgaben, wer nicht als Lobbyistin tätig ist, sollte dort auch nicht als solche geführt werden“, sagt der Sprecher Timo Lange. „Der Interessenkonflikt liegt jedenfalls auf der Hand, der Umgang der FDP-Fraktion damit ist fragwürdig.“

Selbstverständlich verfolge ein Unternehmen wie Delivery Hero bestimmte steuerpolitische Interessen und sei mitunter von Gesetzen betroffen, die in der FDP-Fraktion mitverhandelt werden. „Es ist kaum vorstellbar, dass Frau Bossmann da beide Hüte sauber voneinander trennen kann“, sagt Lange.

Ähnlich sieht es die Organisation Abgeordnetenwatch. „Dass die FDP-Bundestagsfraktion eine Konzern-Lobbyistin zur Referentin macht, ist vollkommen unangemessen“, sagt Sprecherin Sarah Schönewolf. Als Referentin habe Bossmann exklusiven Zugang zu politischen Entscheidungen. Die Registrierung als Lobbyistin ermögliche es ihr dabei, „sich mit Po­li­ti­ke­r:in­nen über Anliegen des Konzerns auszutauschen“. Die Grenzen zwischen Politik und Lobbyismus würden so verschwimmen, das Vertrauen der Bevölkerung in politische Entscheidungen werde untergraben.

Bossmann selbst, die bei Linkedin beide Tätigkeiten angibt, ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme unbeantwortet.

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