Die Berlinale und die AfD: Verspätete Haltung

Die Berlinale hat die AfD erst zur Eröffnung eingeladen, weil sie dachte, das müsse so sein. Nach Druck von außen lud sie schließlich wieder aus.

Ein Mann und eine Frau stehen nebeneinander vor rotem Hintergrund.

Das Leitungsduo der Berlinale: Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian Foto: Liesa Johannssen/reuters

Die Berlinale hat vor ihrem Beginn nächste Woche schon den ersten Skandal. Unter den eingeladenen Gästen, die zur Eröffnung des Filmfestivals kommen sollten, waren auch fünf Abgeordnete der AfD. Zwei von ihnen hatten zugesagt. Mehr als 200 nationale und internationale Filmemacher protestierten letztes Wochenende in einem offenen Brief gegen die Einladung. Initiiert hatten den Brief Mitarbeiter der Berlinale.

Es folgte weitere Kritik aus der Filmbranche, aus der Politik und in den Medien. Die Geschäftsführerin der Berlinale, ­Mariëtte Rissenbeek, versuchte zu beschwichtigen und berief sich darauf, dass der Berliner Senat Einladungen erhielte, die er „auf die gewählten Mitglieder aller Parteien im Abgeordnetenhaus verteilt“.

Das Festival hätte diese Entscheidung selbstbewusst verteidigen können. Immerhin gab es solche Einladungen schon in der Vergangenheit. Man hätte die AfD-Abgeordneten bei der Eröffnung etwa von der Bühne aus damit konfrontieren können, dass das Festival für eine gesellschaftliche Vielfalt steht, die die AfD bekämpfen will. Das wäre eine konsequente, wenngleich sicher nicht unumstrittene Geste gewesen. Stattdessen waren öffentlich lediglich unentschlossene Ausweichmanöver zu vernehmen.

Am Donnerstag folgte die Erklärung des Leitungsduos, dass man entschieden habe, die eingeladenen AfD-Politiker wieder auszuladen: „Gerade auch angesichts der Enthüllungen, die es in den vergangenen Wochen zu explizit antidemokratischen Positionen und einzelnen Po­li­ti­ker*in­nen der AfD gab, ist es für uns – als Berlinale und als Team – wichtig, unmissverständlich Stellung zu beziehen für eine offene Demokratie. Wir haben daher heute alle zuvor eingeladenen AfD-Po­li­ti­ker*in­nen schriftlich ausgeladen und sie darüber informiert, dass sie auf der Berlinale nicht willkommen sind“, so Rissenbeek und der künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian.

Kaum überzeugend

Das kommt zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht bloß zu spät, es kann auch kaum mehr überzeugen. Am Montag hatte Rissenbeek in einem defensiv gehaltenen Interview mit dem Radiosender Deutschlandfunk Kultur nämlich den Satz geäußert: „Als Festival politisch zu agieren, gerade in Zeiten, wo man nicht weiß, wo die Politik sich hinentwickelt, ist ja auch eine große Gefahr.“

Diese höchst vage Formulierung kann man schwerlich anders begreifen als haltungs- und verantwortungslos. Schließlich wäre es erst recht gefährlich, unbeteiligt abzuwarten, ob sich die Politik in eine Richtung entwickelt, in der Kulturveranstaltungen wie die Berlinale sogar fürchten müssten, gleich ganz abgeschafft zu werden.

Dagegen lohnt jedes Engagement. Wenn es glaubhaft ist.

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Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

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