Ächtung von Bleimunition: Bummbumm mit Plumbum

Sportschützen benutzen gern Bleimunition, weil sie damit präzise treffen. Da die EU gegen Blei vorgeht, ist die Sorge auf den Schießplätzen groß.

Biathlonschützin schießt bei einem Rennen.

Maximal präzise: Biathlonschützin feuert mit Blei Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Dass Blei unter Ächtung steht, wurde breiteren Bevölkerungsschichten klar, als sie ein bestimmtes Silvesterritual nicht mehr mit dem giftigen Schwermetall vollziehen konnten. Aus dem Bleigießen ist nun aus Gesundheitsgründen ein Wachsgießen geworden. Die EU arbeitet seit Jahren daran, den Bleiverbrauch und vor allem das Ausbringen in die Umwelt zu verringern. Fündig geworden ist die Europäische Union auch in einer Branche, in der, nun ja, viel Bummbumm mit Plumbum gemacht wird: dem Sportschießen. Derzeit wird sehr viel Bleimunition im tschechischen Nove Mesto verballert.

Massenhaft donnern die 5,6-Millimeter-Kleinkalibergeschosse an die Scheiben des Schießstandes. Kiloweise Blei sammelt sich unter den Zielscheiben der Biathlon-Weltmeisterschaft. Es wird, und da sind die Vorgaben des internationalen Biathlonverbandes IBU schon recht eindeutig, später mit einem großen Sauger oder schlicht in Auffangbehältern aus Blech gesammelt und entsorgt.

Thomas Hacker hat bei seinem Besuch im Sportausschuss des Deutschen Bundestages dargelegt, wie in den 25 deutschen Biathlonstützpunkten mit dem Bleiproblem umgegangen wird. Die Bleibeseitiger müssen eine FFP2-Maske sowie eine Schutzbrille tragen, sie stecken in einem Schutzanzug, und wenn sie das Zeug zwecks Dekontamination abgelegt haben, steht eine ordentliche Waschprozedur an.

Blei, das steht seit Langem fest, ist ein Nervengift. Es tötet schleichend und setzt, vor allem in der Kindsentwicklung, den IQ herab. Einmal im Körper, kann es nicht mehr abgebaut werden. Ein jeder versteht, dass weniger Blei gut ist, aber da sind nun einmal die herausragenden Eigenschaften von Bleimunition im Präzisionsschießen.

„Nicht schlüssig, nicht zielführend“

Hacker, Beauftragter für Waffenrecht im Deutschen Ski-Verband (DSV), hat den Politikern am Mittwoch recht emotional dargelegt, warum er ein Verbot von Bleimunition im Sportschießen für falsch hält: „Wenn das umgesetzt wird, dann kommt der Biathlon- und Schießsport zum Erliegen.“ Was da geplant werde, sei „nicht schlüssig und nicht zielführend“.

Jörg Brokamp, Geschäftsführer des Deutschen Schützenbundes (DSB), pflichtete ihm bei: „Wir sehen eine massive Gefährdung des Schießsports.“ Die Warnungen der beiden Lobbyisten waren derart eindrücklich, dass Mitglieder des Bundestages die Funktionäre mehrfach darauf hinwiesen, dass man sich erst in der Phase der politischen Erörterung befinde und der finale Treffer, mit einer Veröffentlichung im EU-Amstblatt, noch nicht gesetzt sei.

In der Jagd sinkt der Anteil der Bleimunition nach Verboten und Einschränkungen regelmäßig, die Benutzung von Blei in Feuchtgebieten ist seit einigen Jahren gänzlich verboten. Die Jäger haben sich mit den Regeln arrangiert, wenngleich auch sie Streuung und Durchschlagskraft der neuen Geschosse, zumeist sind sie aus Stahl, aber auch aus schädlichem Kupfer oder Zinn, bemängeln. Viele Tonnen Blei wurden nach der Novelle nicht mehr in Wäldern und Wiesen verstreut, Greifvögel und andere Arten verendeten nicht mehr qualvoll an einer Bleivergiftung, aber nun sind die Sportschützen mit Zugeständnissen dran.

Kosten könnten kleine Anlagen ersticken

Und die sollen, je nach Szenario der Europäischen Chemikalien-Behörde ECHA, ansässig in Helsinki, bis zu 525.000 Tonnen Blei in den kommenden zwanzig Jahren einsparen. Die Ideen reichen von einem Totalverbot bis zu bestimmten Kulanzregelungen. Ausnahmen könnten zum Beispiel für Schützen mit Traditionswaffen gelten, auch für Sportschützen und Biathleten, nur müssten sie garantieren, dass neunzig Prozent der Bleirückstände auf Schießplätzen beseitigt werden.

Das ist für die großen Biathlonstützpunkte wie Oberhof oder Ruhpolding wohl kein Problem, aber die vielen kleinen Anlagen könnten in den Kosten ersticken, zumal Schießstände unter der Belastung von Stahlmunition umgebaut oder adaptiert werden müssten: „Wer soll das organisieren? Wer soll das bezahlen?“, fragte Jörg Brokamp. „Das geht komplett fehl.“

Er forderte wie sein Kollege Hacker massive Ausgleichszahlungen für die Ertüchtigung der Schießstände sowie neue Waffen. Außerdem sei der Schaden, den etwa Biathleten anrichteten, vergleichsweise gering. 40 Tonnen Blei würden die Zweikämpfer weltweit jährlich verballern, das sei ein Anteil von 0,091 Prozent am weltweit verschossenen Blei.

Entscheidung noch dieses Jahr erwartet

Heikel ist auch der Bereich der Tontaubenschießerei, Skeet und Trap genannt. Da gibt es zwar alternative Stahlmunition, aber diese Kügelchen müssten größer sein, um die Tonscheiben zu durchschlagen, auch verhalten sie sich nach Angaben des ESSF, des Forums für Europäische Sportschützen, unpräzise und unberechenbar.

Würde sich gar Plastikmunition durchsetzen oder das Zielen per Laser, dann sieht Waffenexperte Thomas Hacker schwarz für den Schießsport: „Das wäre dann reines Glücksschießen.“ Angesichts der politischen Lage im Lande, warnte Jörg Brokamp bleischwer vor weiteren Res­triktionen: „Die politisch Verantwortlichen sollten sich fragen, was sie wiederum an Unmut in die Bevölkerung geben und in die Schießstände hinein, das ist Wasser auf die Mühlen von bestimmten Tendenzen.“

Eine Entscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet. Den Vorschlag des Sportausschuss-Vorsitzenden Frank Ullrich von der SPD, selbst ein erfolgreicher Biathlet, ein adäquater Ersatz bestünde im Einsatz von Goldmunition, dürften die EU-Politiker freilich beiseite lassen.

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