Geoengineering und UN-Umweltprogramm: Geh mir in die Sonne

Die Schweiz will ein Dimmen der Sonne debattieren. Die Idee: Die Folgen der Klimakrise temporär abzumildern. Wis­sen­schaft­le­r*in­nen warnen.

Sonne an einem roten Himmel.

Die Sonne abdimmen? Projekt mit unabsehbaren Folgen Foto: Jens Büttner/dpa

BERLIN taz | Bisher ist es ein Tabu-Thema: Die Schweiz will, dass die Vereinten Nationen sich stärker mit Geoengineering beschäftigen. Dafür will sich die Eidgenossenschaft bei der Jahrestagung des UN-Umweltprogramms Unep einsetzen, die Ende Februar beginnt. Speziell geht es der Eidgenossenschaft um die Beeinflussung der Sonneneinstrahlung zur Senkung der Temperaturen auf der Erde, die als Folge der menschlichen Treibhausgasemissionen bereits massiv angestiegen sind.

Die Schweiz will mit ihrem Vorstoß erreichen, dass Folgen und vor allem Risiken der Technologien ausgewertet werden. Sie werde sich dafür einsetzen, „dass die Unep einen Bericht über die Technologien zur Veränderung der Sonneneinstrahlung (sog. Solar Radiation Modification) erstellt“, heißt es von der Regierung. „Ziel ist, dass die Staaten über diese Technologien informiert sind, insbesondere über mögliche Risiken und grenzüberschreitende Auswirkungen.“

Eine Idee zum Dimmen der Sonne ist, Militärjets in die Stratosphäre zu schicken und dort Aerosole wie Schwefeldioxid auszubringen. Es wäre sozusagen die künstliche Nachahmung eines gigantischen Vulkanausbruchs, etwa dem des Pinatubo auf den Philippinen 1991. Der dabei in die Stratosphäre geschleuderte Schwefel senkte die globale Durchschnittstemperatur im Folgejahr um ein halbes Grad.

Wie nach einem Vulkanausbruch würden sich auch Aerosole, die der Mensch aktiv in die Stratosphäre bringt, wieder absenken – der dimmende und damit kühlende Effekt wäre also nur temporär vorhanden. An der Ursache der zunehmenden Extremhitze, den Treibhausgasen, ändert das solare Geoengineering nichts. Von ökologischen Nebenwirkungen ist bei so einem starken Eingriff zudem auszugehen.

Die Wissenschaft warnt

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen hatten vor zwei Jahren in der Fachzeitschrift Wires Climate Change ein internationales Verbot von solarem Geoengineering gefordert. Sie schlugen einen Staatsvertrag vor, mit dem sich die Länder dazu verpflichten, derartige Technologien nicht zu unterstützen – weder den praktischen Einsatz noch die Erforschung.

Ihre Argumente: Es sei im internationalen politischen System nicht möglich, „solares Geoengineering auf planetarer Ebene inklusiv und gerecht zu regeln“. Schließlich stehen brisante Fragen im Raum, bei denen viele Länder je unterschiedliche Interessen haben. Schon allein: Auf welche globale Temperatur einigt man sich? Ist dafür die Statistik über Hitzetote in Indien maßgeblich oder die über die Weinernte in Deutschland?

Wahrscheinlich wäre das Dimmen der Sonne billig genug, dass größere Volkswirtschaften dafür nicht auf internationale Partner angewiesen wären. Denkbar ist also der Fall, dass mehrere Parteien durcheinander am Thermostat der Erde drehen würden – mit unabsehbaren Folgen.

Zudem warnen die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen davor, dass zu wenig für den eigentlichen Klimaschutz getan werde, solange solares Geoengineering als vermeintliche Lösung im Raum stehe.

Schon einmal hatte die Schweiz probiert, eine ähnliche Resolution der Vereinten Nationen zum Geoengineering anzustoßen – erfolglos. Der Versuch scheiterte 2019 am Widerstand von Saudi-Arabien und den USA, damals unter der Trump-Regierung. Die beiden Ölstaaten wollten internationale Regulierung verhindern. Die Erwähnung des Vorsorgeprinzips etwa, auf die die Europäische Union und Bolivien gedrungen hatten, ging ihnen zu weit.

Folgen der steigenden Temperaturen

Die Erde hat sich im langjährigen Mittel schon stark aufgeheizt. In den vergangenen zwölf Monaten lag die globale Temperatur im Schnitt erstmals um mehr als 1,5 Grad über dem Niveau, das vor der Industrialisierung typisch gewesen wäre. Neben der menschengemachten Klimakrise hat dabei auch das natürliche Klimaphänomen El Niño eine Rolle gespielt, das alle paar Jahre vorübergehend auftritt und erhitzend wirkt.

Die hohen Durchschnittstemperaturen führen heute schon zu zahlreichen Schäden, Krankheits- und Todesfällen, weil extremes Wetter zunimmt. Allein in Deutschland sind zum Beispiel im vergangenen Sommer mehr als 3.000 Menschen in Verbindung mit Hitze gestorben.

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