„Abhörskandal“ bei der Bundeswehr: Der Kreml liefert nichts Neues

Russische Medien haben den Mitschnitt eines Bundeswehr-Gesprächs über den Taurus veröffentlicht. Auf deren Kalkül sollte man jetzt nicht hereinfallen.

Ein Marschflugkörper von oben

Kurz davor, seine Wirkung in der Ukraine zu entfalten? Der Taurus-Marschflugkörper Foto: South Korea Defense Ministry/ap

Mit der Veröffentlichung des Mitschnitts eines Gesprächs deutscher Luftwaffenoffiziere hat das Kremlmedium Russia Today ohne Zweifel einen Coup gelandet. Das Bemerkenswerteste an der Abhöraktion ist nicht der Vorgang an sich, sondern der demonstrative Akt der Veröffentlichung.

Das Timing jedenfalls dürfte kein Zufall sein. Schon beeindruckend, wie es der Propagandakompanie Wladimir Putins gelungen ist, in Windeseile den Mut der Menschen, die an der Beerdigung Alexei Nawalnys teilgenommen haben, oder den Spionage-Thriller über den Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek aus den Schlagzeilen zu verdrängen.

Bei aller Aufregung: In Bezug auf den Inhalt taugt der Abhörfall nicht zu einem Skandal. Bei ihrer 38-minütigen Beratung darüber, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius in 30 Minuten in Sachen Taurus-Marschflugkörper gebrieft werden kann, haben die beteiligten Offiziere nichts ausgeplaudert, was nicht ohnehin allen, die sich mit der Problematik beschäftigen, bekannt sein sollte.

Und dass sie im Rahmen der politischen Vorgabe, dass es keine direkte Beteiligung der Bundeswehr bei einem eventuellen Taurus-Einsatz geben darf, mögliche Szenarien und Schwierigkeiten abwägen, ist schlicht ihr Job. Wobei es schon gewagt ist, wenn Po­li­ti­ke­r:in­nen der Union, der FDP und der Grünen nun so tun, als sei ihnen bestätigt worden, dass die Lieferung des Taurus kein Problem wäre.

Wirklich grober Unfug ist es jedoch, wenn der Linkenpolitiker Dietmar Bartsch behauptet, da seien irgendwelche Planspiele angestellt worden, die „eindeutig strafbewehrt“ seien. Noch unsäglicher ist es, wenn aus den Reihen der AfD oder der neuen Wagenknecht-Partei behauptet wird, bei dem Gespräch habe es sich um die „Vorbereitung eines Angriffskrieges“ durch deutsche Bundeswehroffiziere gehandelt. Mit der Realität hat das nichts zu tun, sondern nur mit Kremlpropaganda.

Viel spricht dafür, dass es sich hierbei nur um einen Zufallstreffer handelt

Dass sich Russland bemüht, deutsche Stellen zu bespitzeln, ist keine Neuigkeit. Viel spricht dafür, dass es sich im konkreten Fall jedoch nur um einen Zufallstreffer handelt. Geheimdienste sind keine Journalist:innen, ihr genuines Interesse ist die Gewinnung von Informationen, nicht deren Publikation. Wäre das Gespräch im Rahmen einer systematischen Abschöpfung aufgefangen worden, wäre es sicherlich nicht veröffentlicht worden, um die Quelle nicht versiegen zu lassen.

Das ändert nichts daran, dass das Ganze einen Image­schaden für die Bundeswehr bedeutet. Denn es stellt sich schon die Frage, wie sorgfältig die interne Kommunikation vor den Begehrlichkeiten der russischen Spionage abgeschirmt wird, wenn es wirklich um militärische Geheimnisse geht.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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