Anzeige gegen CDU-Bildungssenatorin: In die Schule nur bis 15

Ein Berliner hat Anzeige gegen Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch gestellt – weil sie den Schulbesuch minderjähriger Flüchtlinge verhindere.

Jugendliche vor einer Tafel

Nichts für jugendliche Flüchtlinge? Foto: Imago/Funke Foto Services

BERLIN taz | Ein Berliner, der die Vormundschaft für einen unbegleiteten jugendlichen Flüchtling ausübt, hat Anzeige gegen Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) erstattet. Der Verdacht: Verstoß gegen das Berliner Schulgesetz und die UN-Kinderrechtskonvention. Zudem könne Kindeswohlgefährdung laut Bürgerlichem Gesetzbuch vorliegen.

In der Begründung, die der ehemalige Journalist Andreas Thewalt seiner Anzeige beigefügt hat und die der taz vorliegt, wirft er der Senatorin vor, zahlreichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen den Schulbesuch „offenbar vorsätzlich zu verweigern“, obwohl diese einen Anspruch darauf haben.

Thewalt, der schon mehrfach eine Vormundschaft für jugendliche Flüchtlinge übernommen hat, besitze Kenntnis von einer E-Mail, die die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie an die „Teams aus den Erstaufnahmeeinrichtungen“ geschickt habe. Darin heiße es, nur junge Menschen „bis zum 14. Lebensjahr (einschließlich)“ sollten zur Schule angemeldet werden, Jugendliche ab 15 seien dagegen „weiterhin nicht zur Schule anzumelden“.

Diese Anordnung „dürfte eindeutig ein Verstoß gegen das Berliner Schulgesetz sein“, so der Anzeigensteller. Denn dieses sehe die Schulpflicht für alle Kinder und Jugendliche vor, deren Aufenthalt in Berlin auf Grundlage eines Asylgesuchs gestattet ist oder die hier zumindest geduldet werden.

Bis zu acht Monate Wartezeit

Mutmaßlich mehreren hundert minderjährigen Flüchtlingen werde so „rechtswidrig auf Geheiß der Senatsverwaltung der Besuch einer Schule verwehrt“, schreibt Thewalt. Das verstoße darüber hinaus auch gegen die von Deutschland unterzeichnete UN-Kinderrechtskonvention, laut deren Artikel 28 jedem Kind Schulen „verfügbar und zugänglich“ zu machen sind. Zudem gefährde es das „geistige“ und „seelische“ Wohl von Kindern, das nach Paragraf 1666 des BGB zu schützen sei.

ExpertInnen berichten, dass die Bildungsverwaltung, die alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bis zum Beginn eines Asylverfahrens qua „vorläufiger Inobhutnahme“ rechtlich vertritt, offenkundig nur diejenigen als schulpflichtig betrachtet, die sich bereits im sogenannten Clearingverfahren befinden. Bei diesem Verfahren geht es unter anderem um die Feststellung ihres Alters sowie die Klärung, ob sie weiterhin im Land Berlin verbleiben. Einer Antwort der Senatsverwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Orkan Özdemir zufolge befanden sich zum 1. Januar 436 Jugendliche im Clearingverfahren.

Allerdings sieht das Berliner Schulgesetz eine Schulpflicht für minderjährige Flüchtlinge vor, sobald diese einen Asylantrag gestellt haben oder aber geduldet werden. Das dürfte faktisch auf die allermeisten der über 1.000 Minderjährigen zutreffen, die nach Angaben aus dem Haus von Günther-Wünsch Mitte Dezember auf das Erstgespräch zur Einleitung des Clearingverfahrens warteten. Die Wartezeit beträgt demnach aufgrund der hohen Zugangszahlen derzeit sechs bis acht Monate.

In diesem Zeitraum werden nun offensichtlich die Über-15-Jährigen – nach Einschätzung von FlüchtlingsaktivistInnen dürfte es sich dabei um rund drei Viertel der Betroffenen handeln – auf Anweisung von oben von der Schule ferngehalten. Andreas Thewalt findet: „Als Bürger der Hauptstadt eines der nach wie vor wohlhabendsten Länder kann man sich nur schämen, wie viele dieser jungen Leute so behandelt werden und die Politik sich hinter Ausreden und Ausflüchten versteckt und jungen Menschen Lebenschancen raubt.“

Auch der Flüchtlingsrat Berlin bezog sich am Freitag auf Thewalts Anzeige: Auf Twitter bezeichnete der Verein die Nicht-Beschulung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ebenfalls als Bruch des Schulgesetzes und der Kinderrechtskonvention.

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