Gedenken an NSU-Opfer: Die Pflicht, es besser zu machen

Vor 20 Jahren ermordete der NSU in Rostock den 24 Jahre alten Mehmet Turgut. Beim Gedenken ging es auch um die noch nicht abgeschlossene Aufarbeitung.

Teilnehmer auf der Gedenkveranstaltung zum 20. Todestag des vom NSU erschossenen Mehmet Turgut am Mahnmal im Neudierkower Weg in Rostock

Vor 20 Jahren ermordete der NSU den damals 24 Jahre alten Mehmet Turgut in einem Imbiss im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel Foto: Frank Hormann/dpa

ROSTOCK dpa/epd | Die Stadt Rostock hat am Sonntag des vor 20 Jahren ermordeten Mehmet Turgut gedacht. Der damals 24-jährige Kurde war am 25. Februar 2004 im Stadtteil Toitenwinkel Opfer der rechtsextremistischen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) geworden.

„Niemals dürfen die grausamen Untaten des NSU und die Ermordung Mehmet Turguts in Vergessenheit geraten“, sagte Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke) bei einer Gedenkveranstaltung am Ort des Mordanschlages. Rechtsextremismus bedrohe auch heute die Demokratie und die von ihr geschützte Menschenwürde. „Unsere Gesellschaft hat jetzt die Chance und auch die Pflicht, es besser zu machen als in den 90er Jahren.“

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) nannte die Mordserie des NSU ein dunkles Kapitel für die Bundesrepublik und eine Mahnung vor allem für die Sicherheitsbehörden. „Dass eine rechtsterroristische Gruppe jahrelang unbeobachtet morden konnte, macht uns allen bewusst, dass Rechtsterrorismus die größte Gefahr für unser gesellschaftliches Leben ist.“

Die Morde seien auch „eine Mahnung für uns als Gesellschaft insgesamt und insbesondere unsere Sicherheitsbehörden““, so Pegel. „Dieser Fall hat vor allem für unsere Sicherheitsbehörden eine Aufarbeitung gefordert – und diese ist noch immer in vollem Gange.

Rassismus beim Namen nennen

Mecklenburg-Vorpommerns Integrationsbeauftragte Jana Michael sagte laut Mitteilung des Sozialministeriums, auch 20 Jahre nach der Ermordung Turguts müssten „wir uns in der Gesellschaft mit Rassismus und Rechtsradikalismus auseinandersetzen. Das ist die Realität.“ Die Umstände des Todes von Mehmet Turgut führten bis heute „zu einem unermesslichen Schmerz für seine Familie“.

Um eine Aufarbeitung zu ermöglichen, sei entscheidend, dass der Staat mit seinen Organen, Politikerinnen und Politiker und die Zivilgesellschaft anerkennen, dass Rassismus in Deutschland noch immer ein Thema sei. „Erst, wenn wir dieses Problem beim Namen nennen, kann es uns gelingen, als eine wehrhafte Demokratie entschlossen dagegen zu handeln“, sagte Michael.

Zur Teilnahme an der Gedenkveranstaltung hatten das Bündnis „Mord verjährt nicht!“ und die Hansestadt Rostock gemeinsam aufgerufen. Turgut war kaltblütig erschossen worden, kurz nachdem er den Imbissstand eines Freundes geöffnet hatte. Er war das fünfte von zehn Opfern einer bundesweiten Anschlagsserie, die sich vor allem gegen Kleinunternehmer richtete, deren Familien aus der Türkei und in einem Fall aus Griechenland stammten.

Lange Zeit hatten die Ermittler die Täter in migrantischen Communitys gesucht. Erst 2011, als in Eisenach in einem ausgebrannten Wohnwagen die Leichen zweier NSU-Mitglieder gefunden wurden, erkannten die Behörden, dass die dreiköpfige Terrorgruppe für die Mordserie verantwortlich war. Ihr letztes Opfer war 2007 eine junge Polizistin.

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