Mitbestimmung bei der Grün Berlin GmbH: Um sich greifende Unsitten

Die landeseigene Grün Berlin hat keinen Betriebsrat, sondern nur eine „MitarbeiterInnenvertretung“. Daran gibt es Kritik aus der SPD und von Verdi.

Arbeitspause im Britzer Garten, der von der Grün Berlin GmbH betrieben wird

Ob an der Schubkarre oder am Planungstisch: Über 300 Personen arbeiten bei der Grün Berlin GmbH Foto: Imago/Rolf Kremming

BERLIN taz | Modern und flexibel sind sie, die Arbeitsbedingungen der mehr als 300 Beschäftigten der landeseigenen Grün Berlin GmbH und ihrer Tochtergesellschaften GB Service und GB infraVelo. So stellt es das Unternehmen zumindest in seiner letzten Jahresbilanz dar.

Die Vereinbarkeit von Berufsleben und Familie genieße einen hohen Stellenwert, heißt es in der Selbstdarstellung, die Büros im Tempelhofer Ullsteinhaus seien hell, freundlich und digital auf dem neuesten Stand, 40 Prozent der Arbeitszeit könnten aus dem Home Office erledigt werden. Eines gibt es bei der Grün Berlin allerdings nicht: einen Betriebsrat.

Stattdessen sind die Beschäftigten – die Parks wie das Tempelhofer Feld und die Gärten der Welt managen oder im Rahmen der infraVelo Radschnellwege planen – in einer „gesellschaftsübergreifenden Mitarbeitervertretung (MAV)“ organisiert, die ihre Interessen gegenüber der Geschäftsführung vertritt.

Den SPD-Abgeordneten Linda Vierecke und Sven Meyer ist dieses abgespeckte ArbeitnehmerInnen-Gremium ein Dorn im Auge: Sie wollen, dass es in dem Unternehmen einen Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz gibt. Um herauszufinden, was es mit der Mit­ar­bei­te­rIn­nen­ver­tre­tung (MAV) auf sich hat, haben Vierecke und Meyer zwei parlamentarische Anfragen gestellt, mittlerweile liegen die Antworten aus der Senatsumweltverwaltung mit Stellungnahmen der Grün Berlin vor.

Kein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen

Aus den Antworten geht hervor: Das siebenköpfige, von der Belegschaft gewählte Gremium hat zum Teil dieselben Funktionen und Befugnisse wie ein Betriebsrat. Die „partnerschaftliche Kooperation zwischen der MAV und der Geschäftsführung“ laufe „auf Grundlage einer bindenden Vereinbarung“ ab. Manche Vorrechte, die ein Betriebsrat genießt, fehlen der Vertretung aber.

So sollen zwar die „frei, unmittelbar, gleich und geheim“ gewählten MAV-Mitglieder sich zu Themen der Beschäftigtenvertretung weiterbilden können, Sachkosten würden erstattet, Räume zur Verfügung gestellt. Regelmäßig fänden Termine mit der Geschäftsführung statt, bei denen „Informationen und Unterlagen zu anstehenden Themen ausgetauscht“ würden. Auch nehme die MAV Beschwerden und Anregungen von ArbeitnehmerInnen entgegen und wirke auf eine Lösung hin. Bei Kündigungen, Regelungen zur Arbeitszeit oder Arbeitsentgelten könne sie Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte ausüben.

Dagegen bleibt die MAV etwa bei allen Entscheidungen des Arbeitgebers über Einstellungen oder Versetzungen außen vor – Betriebsräte haben hier ein wichtiges Mitbestimmungsrecht, im Konfliktfall können sie das Arbeitsgericht einschalten. Auch eine sogenannte Einigungsstelle, in der Geschäftsführungen und Betriebsräte unter Vorsitz einer unparteiischen Person Konflikte schlichten, wenn diese sich nicht anderweitig auflösen lassen, ist nicht vorgesehen.

Schutzstatus unklar

Nicht völlig klar ist, welchen Schutz die Mitglieder der Mit­ar­bei­te­rIn­nen­ver­tre­tung genießen. Bei Betriebsräten legt das Gesetz unter anderem fest, dass deren Mitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden dürfen – auch nicht in Bezug auf ihre berufliche Entwicklung. Für die MAV-Mitglieder gilt laut Grün Berlin lediglich ein im Arbeitsvertrag festgehaltener Kündigungsschutz.

Die Grün Berlin bezeichnet sich selbst als „modernes Unternehmen, das den Mitgliedern der MAV mit Wertschätzung und Dank für ihren Einsatz begegnet“, sie nimmt für sich die „Grundsätze der partnerschaftlichen Zusammenarbeit“ in Anspruch. Linda Vierecke und Sven Meyer reicht das nicht.

„Es gibt Konfliktfälle, da ist eine Vertretung mit gesetzlichen Rechten und Pflichten einfach ein Muss“, sagt Vierecke, Meyer erkennt in den Regelungen viel „good will“, was aber nicht viel helfe. Der Abschluss von Betriebsvereinbarungen – ein Instrument, um bestimmte Betriebsabläufe oder Ansprüche von ArbeitnehmerInnen zu regeln – sei offenbar gar nicht vorgesehen.

„Landeseigene Unternehmen haben einen Vorbildcharakter“, sagt Meyer. Nicht umsonst hätten CDU und SPD das in den Koalitionsvertrag geschrieben. Tatsächlich heißt es dort: „Wir unterstützen überall innerbetriebliche Mitbestimmung auf gesetzlicher Basis – andere Formen zur Ersetzung der gesetzlichen Mitarbeitervertretungen schließen wir aus.“

Die Umweltverwaltung scheint das nicht so eng zu sehen. In einer ihrer Antworten an die SPD-Abgeordneten schreibt sie: „Der Senat bewertet es positiv, dass eine von den Mitarbeitenden mehrheitlich gewollte Mit­ar­bei­te­rIn­nen­ver­tre­tung bei der Grün Berlin GmbH eingerichtet wurde.“ Ein Betriebsrat könne ja immer noch gegründet werden.

Völlig frei entschieden?

Genau hier liegt ein Knackpunkt: Die Grün Berlin verweist darauf, dass die Beschäftigten sich völlig frei gegen eine Betriebswahl und für die alternative Vertretungsform entschieden hätten. Aber hat das Unternehmen möglicherweise dafür geworben? Seit einiger Zeit gebe es bei Unternehmen einen Trend in dieser Richtung, sagt der Berliner Verdi-Sprecher Kalle Kunkel der taz.

Eine „Unsitte, die um sich greift“, nennt das Kunkel, es gebe Anwaltskanzleien, die sich genau darauf spezialisiert hätten. Aber: „Es kann keinen anständigen Ersatz für einen Betriebsrat geben, denn nur für diesen definiert das Gesetz klare Rechte, die auch gerichtlich durchgesetzt werden können.“

Einen Fall aus der Privatwirtschaft hat kürzlich der Tagesspiegel beschrieben: So soll das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut bis zu 200.000 Euro in anwaltliche Beratung und die Entwicklung von Kommunikationsstrategien investiert haben, um seine Beschäftigten von der Gründung eines „Institutsrats“ mit eigenen Regeln anstelle eines Betriebsrats zu überzeugen.

Derartiges ist von Grün Berlin nicht bekannt. Beim Lesen der Stellungnahmen des Unternehmens bleibt dennoch unklar, wie aktiv die Rolle der Unternehmensleitung war. So wird einerseits beteuert, die Geschäftsführung vertrete „keine Position gegen einen Betriebsrat, sie sei an dem „freien mitarbeiterinternen Dialogprozess“ nicht beteiligt gewesen und lediglich „über das Ergebnis informiert“ worden.

An anderer Stelle wiederum heißt es, die „Einführung eines Mitbestimmungsmodells in Form einer Mit­ar­bei­te­rIn­nen­ver­tre­tung bis hin zum Abschluss einer Vereinbarung mit der Geschäftsführung“ setze „einen Abstimmungsprozess zwischen Mitarbeitenden und Geschäftsführung voraus“. In diesem Zusammenhang seien „Rechte und Pflichten von Betriebsräten, von Geschäftsführungen sowie beider Rollen im Zusammenspiel ergebnisoffen diskutiert und bewertet“ worden.

Vierecke und Meyer wollen nun darauf hinwirken, dass die Grün Berlin doch noch einen Betriebsrat bekommt: „So steht es schließlich im Koalitionsvertrag“, betonen beide.

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